Ein kurtzweilig lesen von Dyl Vlenspiegel
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*die ''8. Historie'', in der er Hühner an kreuzweise verknüpften Stricken fängt (vgl. [[Max und Moritz]], diese beiden, und die arme Witwe Bolte) | *die ''8. Historie'', in der er Hühner an kreuzweise verknüpften Stricken fängt (vgl. [[Max und Moritz]], diese beiden, und die arme Witwe Bolte) | ||
- | *die ''[[#Magdeburg - 14. Historie|14. Historie]]'', in der er die Schaulustigen verhöhnt, weil sie glaubten, er könne fliegen (vgl. die spätmittelalterliche Witzesammlung ''Facetiae'' von Poggio Bracciolini, entstanden zwischen 1438 und 1452, Anekdote 49, wo die Szene in [[Bologna]] spielt, oder die Schwanksammlung zum ''Pfaffen von Kalenberg'' von Philipp Frankfurter, entstanden in den 1470ern, Verse | + | *die ''[[#Magdeburg - 14. Historie|14. Historie]]'', in der er die Schaulustigen verhöhnt, weil sie glaubten, er könne fliegen (vgl. die spätmittelalterliche Witzesammlung ''Facetiae'' von Poggio Bracciolini, entstanden zwischen 1438 und 1452, Anekdote 49, wo die Szene in [[Bologna]] spielt, oder die Schwanksammlung zum ''Pfaffen von Kalenberg'' von Philipp Frankfurter, entstanden in den 1470ern, Verse 423ff, wo der Pfaffe behauptet, er könne über die [[Donau]] fliegen, um die neugierigen Bauern mit seinem alten Wein abzufüllen, nur um sie dann auszulachen) |
*die ''[[#Marburg und die Ahnengalerie - 27. Historie|27. Historie]]'', in der sich nur eine Törin zu sagen traut, dass er gar nichts gemalt hat (vgl. ''[[Des Kaisers neue Kleider]]'') | *die ''[[#Marburg und die Ahnengalerie - 27. Historie|27. Historie]]'', in der sich nur eine Törin zu sagen traut, dass er gar nichts gemalt hat (vgl. ''[[Des Kaisers neue Kleider]]'') | ||
*die ''28. Historie'', in der er vor einem Gremium von missgünstigen Gelehrten Fragen zur Erde und zum Weltall beantwortet (vgl. [[Hodscha Nasreddin]]) | *die ''28. Historie'', in der er vor einem Gremium von missgünstigen Gelehrten Fragen zur Erde und zum Weltall beantwortet (vgl. [[Hodscha Nasreddin]]) | ||
*die ''32. Historie'', in der er einen Steg manipuliert, so dass seine Verfolger in den Burggraben purzeln (vgl. erneut [[Max und Moritz]], gar nicht träge, diesmal vs. Meister Böck) | *die ''32. Historie'', in der er einen Steg manipuliert, so dass seine Verfolger in den Burggraben purzeln (vgl. erneut [[Max und Moritz]], gar nicht träge, diesmal vs. Meister Böck) | ||
*die ''80. Historie'', in der er mit dem Klang von Geld bezahlt (vgl. erneut [[Hodscha Nasreddin]]) | *die ''80. Historie'', in der er mit dem Klang von Geld bezahlt (vgl. erneut [[Hodscha Nasreddin]]) | ||
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+ | Die ''[[#Marburg und die Ahnengalerie - 27. Historie|27. Historie]]'' (Ahnengalerie in [[Marburg]]), ''28. Historie'' (Gelehrtenwettstreit in [[Prag]]), ''[[#Erfurt und der Esel - 29. Historie|29. Historie]]'' ([[Lese-Esel]] in [[Erfurt]]) und ''[[#Bayerisches Dorf (eigentlich: Pommern) - 31. Historie|31. Historie]]'' (Spendenpredigt) sind offenbar alle dem satirischen, mittelhochdeutschen Roman des Strickers vom ''Pfaffen Amis'' (um 1240) entlehnt und folgen daher nicht zufällig direkt aufeinander. | ||
Übertragungen des Volksbuchs ins Neuhochdeutsche, oft verknüpft mit einer gewissen Überarbeitung, gibt es reichlich. Es ist daher nicht immer ohne weiteres festzustellen, welche von ihnen bei der jeweiligen Umsetzung des Stoffs im MOSAIK und seinem Umfeld genutzt wurde. Hier im Artikel wird die Übertragung von Siegfried H. Sichtermann aus dem ''Insel-Verlag'' als Vergleich herangezogen. Bei der [[Fanfiction]]-Geschichte ''[[Die Abrafaxe, und wie Eulenspiegel vorgab, dass er zu Magdeburg von der Laube fliegen wollte]]'' hat die Auswahl von Eulenspiegel-Geschichten aus den ''Magdeburger Sagen'' von Otto Fuhlrott zugrundegelegen. | Übertragungen des Volksbuchs ins Neuhochdeutsche, oft verknüpft mit einer gewissen Überarbeitung, gibt es reichlich. Es ist daher nicht immer ohne weiteres festzustellen, welche von ihnen bei der jeweiligen Umsetzung des Stoffs im MOSAIK und seinem Umfeld genutzt wurde. Hier im Artikel wird die Übertragung von Siegfried H. Sichtermann aus dem ''Insel-Verlag'' als Vergleich herangezogen. Bei der [[Fanfiction]]-Geschichte ''[[Die Abrafaxe, und wie Eulenspiegel vorgab, dass er zu Magdeburg von der Laube fliegen wollte]]'' hat die Auswahl von Eulenspiegel-Geschichten aus den ''Magdeburger Sagen'' von Otto Fuhlrott zugrundegelegen. | ||
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- | | ''Fazecie'' von Poggio | + | | ''Fazecie'' von Poggio Bracciolini || Übersetzung mit ''Deepl'' |
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{{zitat|'''49<br>Geschichte von einem Akrobaten,<br>erzählt vom Kardinal von Bordeaux.''' | {{zitat|'''49<br>Geschichte von einem Akrobaten,<br>erzählt vom Kardinal von Bordeaux.''' | ||
- | Gregor der | + | Gregor der Zwölfte hatte, bevor er Papst wurde und während des Konklaves und auch danach, versprochen, viel für das Schisma zu tun, das die Kirche damals bedrückte, und eine Zeit lang hielt er, was er versprochen hatte, bis hin zu der Aussage, dass er eher vom Papsttum herabgestiegen wäre, als dies nicht zu tun. Dann ließ er sich von der Süße der Macht hinreißen, brach seine Eide und Versprechen, und nichts von dem, was er gesagt hatte, hielt er. Der Kardinal von Bordeaux, ein ernster und erfahrener Mann, konnte dies nicht ertragen und sprach eines Tages zu mir: „Er hat mit uns gehandelt“, sagte er, „wie jener Akrobat bei den Bolognesern, der versprochen hatte, dass er fliegen würde.“ Und ich bat ihn, mir die Geschichte zu erzählen. „Vor einiger Zeit, sagte er, gab es in Bologna einen Akrobaten, der mit einer öffentlichen Ankündigung ankündigte, dass er von einem Turm fliegen würde, der in Richtung der Ponte di S. Raffaele etwa eine Meile von der Stadt entfernt liegt. Am verabredeten Tag versammelten sich alle Menschen an diesem Ort, und der Akrobat verspottete alle und ließ sie in der Sonne und hungrig bis fast zum Abend stehen. Alle standen und starrten auf den Turm und warteten darauf, dass der Mann fliegen würde. Und als er sich auf dem Turm zeigte und mit den Flügeln wedelte, als wolle er fliegen, und als wolle er sich in die Lüfte erheben, gab es großen Beifall in der Menge, die mit offenem Mund dastand und ihm zusah. Und als die Sonne untergegangen war, drehte der Akrobat, nur um etwas zu tun, den Leuten den Rücken zu und zeigte ihnen seinen Spott. So kehrten all die verblendeten Menschen, die von Hunger und Langeweile geplagt waren, nachts in die Stadt zurück; genauso, so schloss er, erfreut uns der Papst nach so vielen Versprechungen, indem er uns seinen Hintern zeigt“.}} |
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Das ich auch nit wil fliegens pflegen | Das ich auch nit wil fliegens pflegen | ||
nůn fart hyn heym in gottes segen. | nůn fart hyn heym in gottes segen. | ||
- | Vnd sprecht ir sind all hye genesen. | + | Vnd sprecht ir sind all hye gewesen, |
+ | got d' laß eůch all wol genesen. | ||
Dz ir mir mer auß trincken den win | Dz ir mir mer auß trincken den win | ||
deß wil ich gegen got ewer bitter sein | deß wil ich gegen got ewer bitter sein | ||
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Zů eynem betrogen pfaffen | Zů eynem betrogen pfaffen | ||
da hast heüt gemacht vil affen | da hast heüt gemacht vil affen | ||
- | Das vierde | + | Das vierde schmutzt vnd lacht |
das fünfft das schalt das es kracht | das fünfft das schalt das es kracht | ||
Eyner red diß der ander das | Eyner red diß der ander das | ||
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Und sprach immer "Nun wartet, nun wartet, | Und sprach immer "Nun wartet, nun wartet, | ||
es ist noch nicht meine Zeit." | es ist noch nicht meine Zeit." | ||
- | Das Volk leidet vor großer | + | Das Volk leidet vor großer Hitze Durst, |
wohl vom Glanz der heißen Sonne. | wohl vom Glanz der heißen Sonne. | ||
Da hat der Pfarrer, das sag ich euch, | Da hat der Pfarrer, das sag ich euch, | ||
seinen Wein auf den Kirchtag gebracht. | seinen Wein auf den Kirchtag gebracht. | ||
Dem Volk war es langweilig, | Dem Volk war es langweilig, | ||
- | so | + | so trank es den Wein aus. |
- | Ehe sie also das Abenteuer | + | Ehe sie also das Abenteuer erleben konnten, |
lief der Meßner auf den Turm | lief der Meßner auf den Turm | ||
- | und | + | und sprach dort schnell mit dem Pfarrer. |
Von Herzen freut er sich über die Nachricht, | Von Herzen freut er sich über die Nachricht, | ||
- | daß ihm | + | daß ihm der Wein ausgegangen ist. |
+ | Mit hübschen Worten fing er an | ||
+ | und sprach zu ihnen mit sanften Worten: | ||
+ | "Nun [...], ihr lieben Kinder. | ||
+ | Bevor ich nun fliege, so verratet mir, | ||
+ | wo saht ihr solch ein Wunder, | ||
+ | dass ein Mensch je geflogen wäre." | ||
+ | Geflissentlich sprach er also zu ihnen. | ||
+ | Sie sprachen alle zusammen: | ||
+ | "Wir sahen es nie, zu keiner Stunde. | ||
+ | Ja, Herr, wir sahen es nie." - | ||
+ | "So sollt ihr es auch hier nicht sehen, | ||
+ | ich werde also nicht fliegen. | ||
+ | Nun fahrt heim in Gottes Seegen | ||
+ | und sagt, ihr seid alle hier gewesen, | ||
+ | Gott lasse euch alle gesund bleiben. | ||
+ | Dass ihr mir den Wein ausgetrunken habt, | ||
+ | dafür will ich gegenüber Gott euer Fürbitter sein, | ||
+ | daran sollt ihr keinen Zweifel haben: | ||
+ | Ich will euer aller Kaplan sein." | ||
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+ | Damit nahm der Kirchtag ein Ende. | ||
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=== Erfurt und die Fleischer - ''60. Historie'' === | === Erfurt und die Fleischer - ''60. Historie'' === | ||
+ | Diese Geschichte folgt im MOSAIK zunächst sehr eng der Vorlage, inklusive der neidischen [[Verärgerte Metzger|anderen Metzger]], und auch bildlich scheint die Ladenzeile auf der [[Krämerbrücke]] im MOSAIK dem Holzschnitt im ''Kurtzweilig Lesen'' nachempfunden zu sein. Die Auflösung der Episode mit dem [[Erfurter Marktbüttel|Marktbüttel]] hingegen ist fürs MOSAIK hinzuerfunden worden. | ||
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Die [[Verärgerte Metzger|andern Metzger]] kamen dazu und sagten aus Haß, daß es wahr sei. Denn die andern waren dem Metzger feindlich gesonnen. Wenn jemand nämlich zu ihnen kam und etwas kaufen wollte, rief er die Leute zu sich und zog sie damit von ihnen ab. Darum stimmten sie zu, daß Eulenspiegel den Braten behielte. Während der Metzger also zankte, nahm Eulenspiegel den Braten unter den Rock, ging damit hinweg und ließ sie sich darüber einigen, so gut sie konnten.}} | Die [[Verärgerte Metzger|andern Metzger]] kamen dazu und sagten aus Haß, daß es wahr sei. Denn die andern waren dem Metzger feindlich gesonnen. Wenn jemand nämlich zu ihnen kam und etwas kaufen wollte, rief er die Leute zu sich und zog sie damit von ihnen ab. Darum stimmten sie zu, daß Eulenspiegel den Braten behielte. Während der Metzger also zankte, nahm Eulenspiegel den Braten unter den Rock, ging damit hinweg und ließ sie sich darüber einigen, so gut sie konnten.}} | ||
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+ | [[Datei:Vlen 29.jpg|rechts|x300px]] | ||
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=== Erfurt und der Esel - ''29. Historie'' === | === Erfurt und der Esel - ''29. Historie'' === | ||
+ | Diese Eulenspiegelei steht im ''Kurtzweilig Lesen'' an viel früherer Stelle im Text, wird im MOSAIK aber wegen desselben Schauplatzes [[Erfurt]] an die Metzger-Episode angehängt. Der Erstkontakt zwischen [[Eulenspiegel]] und den [[Erfurter Professoren]] wird im MOSAIK etwas umgestaltet - während die Sache mit dem Esel in der Vorlage eine Idee der Professoren ist, um Eulenspiegel zu übertölpeln, schlägt er sie ihnen im MOSAIK von selbst vor. Die Probe aufs Exempel unterscheidet sich ebenfalls etwas. Während der [[Lese-Esel]] im ''Kurtzweilig Lesen'' nur an einem Tag bis 3 Uhr nachmittags nichts zu essen bekommt, muss das arme Vieh im MOSAIK ganze drei Tage fasten. Dafür freut es sich im MOSAIK über die zwischen den Buchseiten gefundenen Haferkörner, während es in der Vorlage über deren Abwesenheit verärgert ist - der I-A-I-A-Schrei ist derselbe. | ||
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+ | Schön ist, dass man aus der Vorlage den Namen des [[Erfurter Gasthaus]]es erfährt, in dem Eulenspiegel und die [[Abrafaxe]] logieren: ''Zum Turm''. | ||
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+ | Die ganze Episode im ''Kurtzweilig Lesen'' basiert, wie einige weitere benachbarte Historien, auf einer Passage im Narrenroman ''Der Pfaffe Amis'' von dem Stricker aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Dort spielt die Szene in [[England]], woher der Pfaffe Amis stammt. | ||
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=== Bayerisches Dorf (eigentlich: Pommern) - ''31. Historie'' === | === Bayerisches Dorf (eigentlich: Pommern) - ''31. Historie'' === | ||
An dieser Historie wurde fürs MOSAIK so einiges geändert: | An dieser Historie wurde fürs MOSAIK so einiges geändert: | ||
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Dabei ist es insbesondere schade, dass man auf den [[Irland|irischen]] Seefahrermönch St. Brendan verzichtet hat, denn dieser wäre ein wunderbares Sujet für ein Filmchen in der App ''[[MOSAIK Magic]]'' gewesen. Wenigstens ist der Name des als Ersatz erfundenen Heiligen ein schönes [[Sprechender Name|Wortspiel]], denn [[latein]]isch ''malum'' ist der "Apfel". Vermutlich unbeabsichtig bedeutet ''mālumus'' zudem passenderweise "wir wollen mehr" (1. Person Plural Indikativ von ''malle'' "mehr wollen, bevorzugen"). | Dabei ist es insbesondere schade, dass man auf den [[Irland|irischen]] Seefahrermönch St. Brendan verzichtet hat, denn dieser wäre ein wunderbares Sujet für ein Filmchen in der App ''[[MOSAIK Magic]]'' gewesen. Wenigstens ist der Name des als Ersatz erfundenen Heiligen ein schönes [[Sprechender Name|Wortspiel]], denn [[latein]]isch ''malum'' ist der "Apfel". Vermutlich unbeabsichtig bedeutet ''mālumus'' zudem passenderweise "wir wollen mehr" (1. Person Plural Indikativ von ''malle'' "mehr wollen, bevorzugen"). | ||
- | Am Ende der | + | Am Ende der Geschichte im MOSAIK bekommt [[Eulenspiegel]] vom [[Geldgieriger Dorfpfarrer|Dorfpfarrer]] als Vorbereitung für den folgenden Streich ein [[Marienbildnis aus Bayern|Marienbildnis]]. Dieses ersetzt die Gemälde aus [[Flandern]], mit denen er sich in [[Marburg]] beim [[Heinrich II. der Eiserne|Landgrafen]] als Künstler verdingt. |
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+ | Die ganze Episode im ''Kurtzweilig Lesen'' basiert, wie einige weitere benachbarte Historien, auf einer Passage im Narrenroman ''Der Pfaffe Amis'' von dem Stricker aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Dort hantiert der Pfaffe Amis ebenfalls mit dem angeblichen Totenschädel des heiligen St. Brendan. | ||
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=== Marburg und die Ahnengalerie - ''27. Historie'' === | === Marburg und die Ahnengalerie - ''27. Historie'' === | ||
+ | Bei der Umsetzung dieser Eulenspiegelei gibt es im MOSAIK einige größere Änderungen, dafür aber auch einige hochspezielle Übernahmen. Als Überleitung vom letzten Abenteuer fungiert das [[Marienbildnis aus Bayern]], das [[Eulenspiegel]] nun in [[Marburg]] als eigene Arbeit ausgibt, statt diverser Gemälde aus [[Flandern]], wie im ''Kurtzweilig Lesen''. Zudem wird ein Austausch mit einem [[Marburger Torwächter]] vorangestellt, samt erstmaliger Darstellung Eulenspiegels mit schellenbestückter Narrenkappe und Spiegel in der Hand durch [[Brabax]]' Wandzeichnung - auf diese Weise wird die Eulenspiegelfigur aus Heft [[1/76]] nachträglich eingeführt. | ||
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+ | Die Beauftragung durch den [[Heinrich II. der Eiserne|Landgrafen]] folgt wieder stark dem Vorbild, nur dass Eulenspiegel im MOSAIK zweihundert [[Gulden]] Vorschuss erhält, nicht nur einhundert - da er sich im MOSAIK jedoch keine zweite Rate holt wie im ''Kurtzweilig Lesen'', kommt die Entlohnung auf dasselbe hinaus. Die Entstehung des aberwitzigen Stammbaums wird im MOSAIK etwas anders geschildert als in der Vorlage: Entnimmt Brabax die Namen im MOSAIK eine [[Buch mit den Vorfahren des Landgrafen von Hessen|alten Schwarte]], erfindet sie Eulenspiegel im ''Kurtzweilig Lesen'' kurzerhand selbst. Die Namen sind, von einer [[Adolf HItler|Ausnahme]] abgesehen, interessanterweise 1:1 übernommen worden. Eine genaue Besprechung der Stelle, inklusive möglicher Vorbilder für die fiktiven Vorfahren, findet man im Artikel zum [[Haus Hessen]]. | ||
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+ | Die Auflösung der Geschichte erfolgt im MOSAIK wieder freier, denn es ändert den Streich von angeblich nur ehelich Geborenen sichtbaren Zeichnungen à la ''[[Des Kaisers neue Kleider]]'' hin zu albernen Krakeleien, die als neue Zeichenkunst, "wie sie in [[London]] und [[Paris]] längst Mode ist", ausgegeben werden. So fallen auch die Landgräfin, ihre Hofdamen und ihre Närrin weg, und Eulenspiegel wird durch den zufällig zu Gast weilenden [[Bürgermeister von Magdeburg 1334|Bürgermeister]] von [[Magdeburg]] enttarnt, der mit dem Schalk noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Euelenspiegel entkommt also nicht, wie im ''Kurtzweilig Lesen'', sondern wird in das von Brabax erfundene Narrenkostüm gesteckt und vor den Kadi gezerrt, womit der Übergang zur letzten MOSAIK-Eulenspiegelei geschaffen wird. | ||
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+ | Die ganze Episode im ''Kurtzweilig Lesen'' basiert, wie einige weitere benachbarte Geschichten, auf einer Passage im Narrenroman ''Der Pfaffe Amis'' von dem Stricker aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Dort malt der Pfaffe Amis dem [[König]] von [[Frankreich]] angeblich lauter [[Bibel|biblische]] Vorfahren an die Wand ([[König David]], [[Salomo]], Absolon), dazu noch [[Alexander den Großen]]. | ||
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Des anderen Tags fragte der Landgraf nach seinem Maler, aber der war hinweg. Da ging der Fürst in den Saal mit allem seinem Hofgesinde, ob jemand etwas Gemaltes sehen könne. Aber niemand konnte sagen, daß er etwas sähe. Und da sie alle schwiegen, sprach der Landgraf: »Nun erkennen wir wohl, daß wir betrogen sind. Mit Eulenspiegel habe ich mich nie befassen wollen, dennoch ist er zu uns gekommen. Die zweihundert Gulden wollen wir zwar verschmerzen. Er aber wird ein Schalk bleiben und muß darum unser Fürstentum meiden.« Also war Eulenspiegel aus Marburg fortgekommen und wollte sich künftig mit Malen nicht mehr befassen.}} | Des anderen Tags fragte der Landgraf nach seinem Maler, aber der war hinweg. Da ging der Fürst in den Saal mit allem seinem Hofgesinde, ob jemand etwas Gemaltes sehen könne. Aber niemand konnte sagen, daß er etwas sähe. Und da sie alle schwiegen, sprach der Landgraf: »Nun erkennen wir wohl, daß wir betrogen sind. Mit Eulenspiegel habe ich mich nie befassen wollen, dennoch ist er zu uns gekommen. Die zweihundert Gulden wollen wir zwar verschmerzen. Er aber wird ein Schalk bleiben und muß darum unser Fürstentum meiden.« Also war Eulenspiegel aus Marburg fortgekommen und wollte sich künftig mit Malen nicht mehr befassen.}} | ||
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=== Marburg und der Prozess (eigentlich: Lübeck) - ''58. Historie'' === | === Marburg und der Prozess (eigentlich: Lübeck) - ''58. Historie'' === | ||
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== Eulenspiegel im ''Mosa-icke'' == | == Eulenspiegel im ''Mosa-icke'' == | ||
- | Für die [[Fanfiction]]-Geschichte ''[[Die Abrafaxe, und wie Eulenspiegel vorgab, dass er zu Magdeburg von der Laube fliegen wollte]]'' von Peter Gräber, die [[2001]] im [[Fanzine]] ''[[Mosa-icke 2]]'' erschien, wurde ebenfalls die ''14. Historie'' genutzt (siehe oben). Diesmal lag die Bearbeitung des Stoffes durch Otto Fuhlrott für seine ''Magdeburger Sagen'' zugrunde. Über 20 Jahre vor MOSAIK [[589]] erschienen, werden hier bereits einige der Ideen vorweggenommen, die dann auch in der [[Jubiläums-Serie]] umgesetzt wurden. | + | Für die [[Fanfiction]]-Geschichte ''[[Die Abrafaxe, und wie Eulenspiegel vorgab, dass er zu Magdeburg von der Laube fliegen wollte]]'' von Peter Gräber, die [[2001]] im [[Fanzine]] ''[[Mosa-icke 2]]'' erschien, wurde ebenfalls die ''14. Historie'' genutzt ([[#Magdeburg - 14. Historie|siehe oben]]). Diesmal lag die Bearbeitung des Stoffes durch Otto Fuhlrott für seine ''Magdeburger Sagen'' zugrunde. Über 20 Jahre vor MOSAIK [[589]] erschienen, werden hier bereits einige der Ideen vorweggenommen, die dann auch in der [[Jubiläums-Serie]] umgesetzt wurden. |
== Eulenspiegel im ''König der Spaßmacher'' == | == Eulenspiegel im ''König der Spaßmacher'' == |
Aktuelle Version vom 01:27, 16. Jan. 2025
Ein kurtzweilig lesen von Dyl Vlenspiegel ist ein frühneuzeitlicher Schelmenroman. Es handelt sich um die erste umfangreiche literarische Bearbeitung des Eulenspiegel-Stoffs, wobei mehrere der geschilderten Streiche auf wesentlich frühere, teils antike Wandermotive zurückgehen, die erst später mit der Figur des Till Eulenspiegel verknüpft wurden. Das Kurtzweilig Lesen bzw. eine seiner Übertragungen ins Neuhochdeutsche diente als Vorlage für die diversen Umsetzungen der Eulenspiegel-Abenteuer im MOSAIK und ums MOSAIK herum.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Druckgeschichte
Der vollständige Titel des in mittelniederdeutscher Sprache verfassten Volksbuchs lautet Ein kurtzweilig lesen von Dyl Vlenspiegel geborē vß dem land zů Brunßwick. Wie er sein leben volbracht hatt .xcvi. seiner geschichten ("Ein kurzweiliges Lesen von Till Eulenspiegel, geboren aus dem Land zu Braunschweig, wie er sein Leben verbracht hat. 96 seiner Geschichten"). Es erschien zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Druckerei von Hans Grüninger in Straßburg; das genaue Jahr ist nicht bekannt (wohl um 1510/11), die älteste erhaltene Auflage stammt von 1515. Ebenfalls unbekannt ist der Verfasser. Es kommen hierfür sowohl Autoren aus der Gegend von Braunschweig in Frage (Hermann Bote, Hieronymus Brunschwig), als auch solche aus dem Umfeld der Druckerei, inklusive des Druckers selbst (Hans Grüninger, Hermann Buschius, Johannes Adelphus und andere); ohne weiteres denkbar ist auch eine Co-Verfasserschaft mehrerer Autoren.
Das Buch beginnt mit einer Einleitung des anonymen Autors, dann folgen 96 kurze bis sehr kurze Episoden ("Historien", Nr. 42 fehlt allerdings). Diese schildern jeweils einen Streich Eulenspiegels (mit Ausnahme der ersten Historie, die seine Geburt und seine Taufe, und der letzten drei Historien, die Ereignisse nach seinem Tod behandeln). Üblicherweise beginnt jede Episode damit, dass Eulenspiegel, der kreuz und quer durch die Gegend reist, in eine neue Stadt oder ein neues Land kommt und schnell erkennt, wie er die Leute dort übervorteilen oder ihnen sonstige deftige, gerne skatologische Streiche spielen kann. So kommt er u.a. nach Magdeburg, Hildesheim, Nürnberg, Halberstadt, Braunschweig, Lüneburg, Marburg, Erfurt, Sangerhausen, Bamberg, Frankfurt, Quedlinburg, Rostock, Wismar, Berlin, Stendal, Aschersleben, Leipzig, Lübeck, Dresden, Hannover, Bremen, Hamburg, Eisleben, Köln und Mölln, sowie nach Dänemark, Polen, Böhmen (Prag), Pommern, Italien (Rom), Frankreich (Paris) und Belgien (Antwerpen). An manchen Orten erlebt er mehrere Abenteuer hintereinander, manche Orte sucht er in größerem Abstand wiederholt auf.
Eulenspiegel-Streiche, die auch mit anderen Figuren, früheren wie späteren, verknüpft werden, sind z.B.:
- die 8. Historie, in der er Hühner an kreuzweise verknüpften Stricken fängt (vgl. Max und Moritz, diese beiden, und die arme Witwe Bolte)
- die 14. Historie, in der er die Schaulustigen verhöhnt, weil sie glaubten, er könne fliegen (vgl. die spätmittelalterliche Witzesammlung Facetiae von Poggio Bracciolini, entstanden zwischen 1438 und 1452, Anekdote 49, wo die Szene in Bologna spielt, oder die Schwanksammlung zum Pfaffen von Kalenberg von Philipp Frankfurter, entstanden in den 1470ern, Verse 423ff, wo der Pfaffe behauptet, er könne über die Donau fliegen, um die neugierigen Bauern mit seinem alten Wein abzufüllen, nur um sie dann auszulachen)
- die 27. Historie, in der sich nur eine Törin zu sagen traut, dass er gar nichts gemalt hat (vgl. Des Kaisers neue Kleider)
- die 28. Historie, in der er vor einem Gremium von missgünstigen Gelehrten Fragen zur Erde und zum Weltall beantwortet (vgl. Hodscha Nasreddin)
- die 32. Historie, in der er einen Steg manipuliert, so dass seine Verfolger in den Burggraben purzeln (vgl. erneut Max und Moritz, gar nicht träge, diesmal vs. Meister Böck)
- die 80. Historie, in der er mit dem Klang von Geld bezahlt (vgl. erneut Hodscha Nasreddin)
Die 27. Historie (Ahnengalerie in Marburg), 28. Historie (Gelehrtenwettstreit in Prag), 29. Historie (Lese-Esel in Erfurt) und 31. Historie (Spendenpredigt) sind offenbar alle dem satirischen, mittelhochdeutschen Roman des Strickers vom Pfaffen Amis (um 1240) entlehnt und folgen daher nicht zufällig direkt aufeinander.
Übertragungen des Volksbuchs ins Neuhochdeutsche, oft verknüpft mit einer gewissen Überarbeitung, gibt es reichlich. Es ist daher nicht immer ohne weiteres festzustellen, welche von ihnen bei der jeweiligen Umsetzung des Stoffs im MOSAIK und seinem Umfeld genutzt wurde. Hier im Artikel wird die Übertragung von Siegfried H. Sichtermann aus dem Insel-Verlag als Vergleich herangezogen. Bei der Fanfiction-Geschichte Die Abrafaxe, und wie Eulenspiegel vorgab, dass er zu Magdeburg von der Laube fliegen wollte hat die Auswahl von Eulenspiegel-Geschichten aus den Magdeburger Sagen von Otto Fuhlrott zugrundegelegen.
[Bearbeiten] Eulenspiegel in der Runkel- und der Adria-Serie
Bei den diversen Ankündigungen für künftige Abenteuer im MOSAIK, auf den Rückseiten der Runkel-Nachdrucke und zu Beginn von Heft 1/76, wurde auch schon Till Eulenspiegel genannt. Näher wird auf seine Streiche jedoch nicht eigegangen, so dass hierfür sicherlich keine vorherige Lektüre des Volksbuchs nötig war.
[Bearbeiten] Eulenspiegel in der Jubiläums-Serie
MOSAIK 589, das erste Heft der Jubiläums-Serie, bietet sechs Eulenspiegel-Streiche, je einen in Magdeburg und Bayern und je zwei in Erfurt und Marburg, die auf sechs verschiedenen Historien der Vorlage beruhen: Magdeburg, Marburg, Pommern, Lübeck und zweimal Erfurt. Die grundlegende Struktur der Vorlage wird jeweils beibehalten, doch werden durchaus einige Sachen geändert, gekürzt oder hinzugefügt. Die Auswahl und Reihenfolge der einzelnen Geschichten erfolgte dabei recht frei; d.h. die Reihenfolge im MOSAIK stimmt nicht mit der im Kurtzweilig Lesen überein. Das ist insofern kein Problem, als die Original-Historien abgesehen von gelegentlichen kurzen Überleitungssätzen nicht aufeinander aufbauen. In der folgenden Besprechung der relevanten Stellen wird chronologisch nach der MOSAIK-Handlung vorgegangen.
Für die kurze Szene, in der sich Eulenspiegel beim Bergabwandern ärgert und beim Bergaufwandern freut, konnte noch keine Vorlage aus dem Kurtzweilig Lesen gefunden werden. Diese Geschichte ist aber tatsächlich in diversen Eulenspiegel-Büchern und -Gedichten enthalten.
[Bearbeiten] Magdeburg - 14. Historie
Im MOSAIK erreichen die Abrafaxe im Jahre 1334 Magdeburg, wo Till Eulenspiegel gerade auf dem Dach des Rathauses steht und die Leute unten verhöhnt, da sie geglaubt hätten, er könne fliegen. Sie helfen ihm, den aufgebrachten Bürgern zu entkommen, unter denen sich eine Nebenhandlung um einen Wurstdieb entfaltet.
Außer in der hinzugefügten Nebenhandlung mit den verschiedenen Bürgern stimmt das MOSAIK stark mit der Vorlage im Kurtzweilig Lesen überein. Insbesondere ist Eulenspiegels Spottrede fast 1:1 übernommen worden - abgesehen davon, dass einige Begriffe modernisiert wurden und sich Eulenspiegel statt mit einer Gans mit einem Storch vergleicht.
Die ganze Geschichte ist, wie oben beschrieben, ein Wandermotiv, das vor Eulenspiegel schon mehrfach von anderen Schalken berichtet wird. Im Anschluss an den Originaltext aus dem Kurtzweilig Lesen samt neuhochdeutscher Übertragung folgen daher hier noch die Parallelstellen aus den Facetiae von Poggio Bracciolini und dem Pfaffen von Kalenberg von Philipp Frankfurter, jeweils mit Übersetzung.
Originaltext im Kurtzweilig Lesen: | Übertragung von Siegfried H. Sichtermann (mit abweichender Historienzählung): | ||
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Fazecie von Poggio Bracciolini | Übersetzung mit Deepl | ||
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Des pfaffen geschicht vnd histori vom kalenberg von Philipp Frankfurter | Auszugsweise eigene Übertragung | ||
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[Bearbeiten] Erfurt und die Fleischer - 60. Historie
Diese Geschichte folgt im MOSAIK zunächst sehr eng der Vorlage, inklusive der neidischen anderen Metzger, und auch bildlich scheint die Ladenzeile auf der Krämerbrücke im MOSAIK dem Holzschnitt im Kurtzweilig Lesen nachempfunden zu sein. Die Auflösung der Episode mit dem Marktbüttel hingegen ist fürs MOSAIK hinzuerfunden worden.
Originaltext im Kurtzweilig Lesen: | Übertragung von Siegfried H. Sichtermann (mit abweichender Historienzählung): | ||
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[Bearbeiten] Erfurt und der Esel - 29. Historie
Diese Eulenspiegelei steht im Kurtzweilig Lesen an viel früherer Stelle im Text, wird im MOSAIK aber wegen desselben Schauplatzes Erfurt an die Metzger-Episode angehängt. Der Erstkontakt zwischen Eulenspiegel und den Erfurter Professoren wird im MOSAIK etwas umgestaltet - während die Sache mit dem Esel in der Vorlage eine Idee der Professoren ist, um Eulenspiegel zu übertölpeln, schlägt er sie ihnen im MOSAIK von selbst vor. Die Probe aufs Exempel unterscheidet sich ebenfalls etwas. Während der Lese-Esel im Kurtzweilig Lesen nur an einem Tag bis 3 Uhr nachmittags nichts zu essen bekommt, muss das arme Vieh im MOSAIK ganze drei Tage fasten. Dafür freut es sich im MOSAIK über die zwischen den Buchseiten gefundenen Haferkörner, während es in der Vorlage über deren Abwesenheit verärgert ist - der I-A-I-A-Schrei ist derselbe.
Schön ist, dass man aus der Vorlage den Namen des Erfurter Gasthauses erfährt, in dem Eulenspiegel und die Abrafaxe logieren: Zum Turm.
Die ganze Episode im Kurtzweilig Lesen basiert, wie einige weitere benachbarte Historien, auf einer Passage im Narrenroman Der Pfaffe Amis von dem Stricker aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Dort spielt die Szene in England, woher der Pfaffe Amis stammt.
Originaltext im Kurtzweilig Lesen: | Übertragung von Siegfried H. Sichtermann: | ||
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[Bearbeiten] Bayerisches Dorf (eigentlich: Pommern) - 31. Historie
An dieser Historie wurde fürs MOSAIK so einiges geändert:
- aus Pommern wurde Bayern
- aus einem Totenkopf wurde ein Herz bzw. ein fauler Apfel
- aus St. Brendan (dem Heiligen der Reisenden) wurde der ausgedachte Heilige Malumus
- aus dem Seelenheil wurde ein "guter Zweck"
- aus Ehebrecherinnen wurden Diebe
Dabei ist es insbesondere schade, dass man auf den irischen Seefahrermönch St. Brendan verzichtet hat, denn dieser wäre ein wunderbares Sujet für ein Filmchen in der App MOSAIK Magic gewesen. Wenigstens ist der Name des als Ersatz erfundenen Heiligen ein schönes Wortspiel, denn lateinisch malum ist der "Apfel". Vermutlich unbeabsichtig bedeutet mālumus zudem passenderweise "wir wollen mehr" (1. Person Plural Indikativ von malle "mehr wollen, bevorzugen").
Am Ende der Geschichte im MOSAIK bekommt Eulenspiegel vom Dorfpfarrer als Vorbereitung für den folgenden Streich ein Marienbildnis. Dieses ersetzt die Gemälde aus Flandern, mit denen er sich in Marburg beim Landgrafen als Künstler verdingt.
Die ganze Episode im Kurtzweilig Lesen basiert, wie einige weitere benachbarte Historien, auf einer Passage im Narrenroman Der Pfaffe Amis von dem Stricker aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Dort hantiert der Pfaffe Amis ebenfalls mit dem angeblichen Totenschädel des heiligen St. Brendan.
Originaltext im Kurtzweilig Lesen: | Übertragung von Siegfried H. Sichtermann: | ||
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[Bearbeiten] Marburg und die Ahnengalerie - 27. Historie
Bei der Umsetzung dieser Eulenspiegelei gibt es im MOSAIK einige größere Änderungen, dafür aber auch einige hochspezielle Übernahmen. Als Überleitung vom letzten Abenteuer fungiert das Marienbildnis aus Bayern, das Eulenspiegel nun in Marburg als eigene Arbeit ausgibt, statt diverser Gemälde aus Flandern, wie im Kurtzweilig Lesen. Zudem wird ein Austausch mit einem Marburger Torwächter vorangestellt, samt erstmaliger Darstellung Eulenspiegels mit schellenbestückter Narrenkappe und Spiegel in der Hand durch Brabax' Wandzeichnung - auf diese Weise wird die Eulenspiegelfigur aus Heft 1/76 nachträglich eingeführt.
Die Beauftragung durch den Landgrafen folgt wieder stark dem Vorbild, nur dass Eulenspiegel im MOSAIK zweihundert Gulden Vorschuss erhält, nicht nur einhundert - da er sich im MOSAIK jedoch keine zweite Rate holt wie im Kurtzweilig Lesen, kommt die Entlohnung auf dasselbe hinaus. Die Entstehung des aberwitzigen Stammbaums wird im MOSAIK etwas anders geschildert als in der Vorlage: Entnimmt Brabax die Namen im MOSAIK eine alten Schwarte, erfindet sie Eulenspiegel im Kurtzweilig Lesen kurzerhand selbst. Die Namen sind, von einer Ausnahme abgesehen, interessanterweise 1:1 übernommen worden. Eine genaue Besprechung der Stelle, inklusive möglicher Vorbilder für die fiktiven Vorfahren, findet man im Artikel zum Haus Hessen.
Die Auflösung der Geschichte erfolgt im MOSAIK wieder freier, denn es ändert den Streich von angeblich nur ehelich Geborenen sichtbaren Zeichnungen à la Des Kaisers neue Kleider hin zu albernen Krakeleien, die als neue Zeichenkunst, "wie sie in London und Paris längst Mode ist", ausgegeben werden. So fallen auch die Landgräfin, ihre Hofdamen und ihre Närrin weg, und Eulenspiegel wird durch den zufällig zu Gast weilenden Bürgermeister von Magdeburg enttarnt, der mit dem Schalk noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Euelenspiegel entkommt also nicht, wie im Kurtzweilig Lesen, sondern wird in das von Brabax erfundene Narrenkostüm gesteckt und vor den Kadi gezerrt, womit der Übergang zur letzten MOSAIK-Eulenspiegelei geschaffen wird.
Die ganze Episode im Kurtzweilig Lesen basiert, wie einige weitere benachbarte Geschichten, auf einer Passage im Narrenroman Der Pfaffe Amis von dem Stricker aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Dort malt der Pfaffe Amis dem König von Frankreich angeblich lauter biblische Vorfahren an die Wand (König David, Salomo, Absolon), dazu noch Alexander den Großen.
Originaltext im Kurtzweilig Lesen: | Übertragung von Siegfried H. Sichtermann: | ||
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[Bearbeiten] Marburg und der Prozess (eigentlich: Lübeck) - 58. Historie
Originaltext im Kurtzweilig Lesen: | Übertragung von Siegfried H. Sichtermann (mit abweichender Historienzählung): | ||
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[Bearbeiten] Eulenspiegel im Mosa-icke
Für die Fanfiction-Geschichte Die Abrafaxe, und wie Eulenspiegel vorgab, dass er zu Magdeburg von der Laube fliegen wollte von Peter Gräber, die 2001 im Fanzine Mosa-icke 2 erschien, wurde ebenfalls die 14. Historie genutzt (siehe oben). Diesmal lag die Bearbeitung des Stoffes durch Otto Fuhlrott für seine Magdeburger Sagen zugrunde. Über 20 Jahre vor MOSAIK 589 erschienen, werden hier bereits einige der Ideen vorweggenommen, die dann auch in der Jubiläums-Serie umgesetzt wurden.
[Bearbeiten] Eulenspiegel im König der Spaßmacher
Die 33. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Bamberg um Geld aß.
Als Eulenspiegel von Nürnberg kam, verdiente er mit List einmal Geld in Bamberg. Er war sehr hungrig und kam in einer Wirtin Haus, die hieß Frau Küngine. Sie war eine fröhliche Wirtin und hieß ihn willkommen, denn sie sah an seinen Kleidern, daß er ein seltsamer Gast war. Als man morgens essen wollte, fragte ihn die Wirtin, wie er es halten möchte: ob er ein vollständiges Frühstück einnehmen oder nur einzelne Kleinigkeiten essen wolle. Eulenspiegel antwortete, er sei ein armer Gesell und bitte sie, ihm etwas um Gottes Lohn zu essen zu geben. Die Wirtin sprach: »Freund, an den Fleisch- und Brotbänken gibt man mir nichts umsonst, ich muß Geld dafür zahlen. Darum muß ich für das Essen auch Geld bekommen.« Eulenspiegel sagte: »Ach, Frau, es dient auch mir wohl, um Geld zu essen. Um was oder um wieviel soll ich hier essen und trinken?« Die Frau sprach: »An der Herren Tisch um 24 Pfennige, an dem Tisch daneben um 18 Pfennige und mit meinem Gesinde um 12 Pfennige.« Darauf antwortete Eulenspiegel: »Frau, das meiste Geld dient mir am allerbesten.« Und er setzte sich an die Herrentafel und aß sich sogleich satt. Als er fertig war und gut gegessen und getrunken hatte, sagte er zur Wirtin, sie möge ihn abfertigen; er müsse wandern, denn er habe nicht viel Reisegeld. Die Frau sprach: »Lieber Gast, gebt mir das Essensgeld, 24 Pfennige, und geht, wohin Ihr wollt, Gott geleite Euch!« »Nein«, sagte Eulenspiegel. »Ihr sollt mir 24 Pfennige geben, wie Ihr gesagt habt. Denn Ihr spracht, an der Tafel esse man das Mahl um 24 Pfennige. Das habe ich so verstanden, daß ich damit Geld verdienen sollte, und es wurde mir schwer genug. Ich aß, daß mir der Schweiß ausbrach und als ob es Leib und Leben gegolten hätte. Mehr hätte ich nicht essen können. Darum gebt mir meinen sauer verdienten Lohn.« »Freund«, sprach die Wirtin, »das ist wahr: Ihr habet wohl für drei Mann gegessen. Aber daß ich Euch dafür auch noch lohnen soll, das reimt sich nicht zusammen. Doch ist es mir nicht um diese Mahlzeit zu tun, Ihr mögt damit hinweggehen. Ich gebe Euch aber nicht noch Geld dazu, denn das wäre verloren; doch begehre ich auch kein Geld von Euch. Kommt mir aber nicht wieder her! Denn sollte ich meine Gäste das Jahr über also speisen und nicht mehr Geld einnehmen als von Euch, so müßte ich auf solche Weise von Haus und Hof lassen.« Da schied Eulenspiegel von dannen und erntete nicht viel Dank. |
[Bearbeiten] Externe Verweise
[Bearbeiten] Das Kurtzweilig Lesen diente als Vorlage für folgende Publikationen
Mosaik ab 1976: 589 Fanfiction: Der König der Spaßmacher, Die Abrafaxe, und wie Eulenspiegel vorgab, dass er zu Magdeburg von der Laube fliegen wollte