Indische Volkskunst
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Version vom 14:20, 17. Mär. 2007
Indische Volkskunst (im folgenden IVK abgekürzt) ist ein Sachbuch von Heinz Mode und Subodh Chandra. Es erschien 1984 bei Edition Leipzig und enthält neben einer ausführlichen Geschichte des indischen Kunsthandwerks 396 Abbildungen von Kunstwerken aus allen Zeiten und Teilen Indiens. Das Werk diente als Quelle für die Alexander-Papatentos-Serie des Mosaik ab 1976.
Das Werk
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Die Indische Volkskunst als Quelle für das MOSAIK
Das Mosaikkollektiv nutzte eine ganze Reihe von Abbildungen der IVK als Vorlagen für das "Lokalkolorit" in der Alexander-Papatentos-Serie, die zum großen Teil in Indien und angrenzenden Kulturkreisen spielt. Während die Rezeption für das erste Kapitel der Serie (Der Schild des Poros, 1984-85) schon aus zeitlichen Gründen eher unwahrscheinlich ist, bietet das zweite Kapitel (Der kleine Wundermann, 1986) mit ca. 16 nachweisbaren Übernahmen den Hauptteil der Bildverarbeitung. Im Jahrgang 1987 (Die goldene Säule) klingt die Nutzung der IVK langsam aus, um im letzten Kapitel der Serie (Orang-Laut-Serie, 1988) noch einmal für eine kurze Szene wiederaufzuleben.
Für die Bildrezeption wurden die ausgewählten Originalbilder teilweise haargenau übernommen, teilweise kreativ variiert und teilweise frei kombiniert. Der eine oder andere Anachronismus ist den Zeichnern dabei allerdings - ob gewollt oder ungewollt - auch unterlaufen. Die meisten im folgenden vorgestellten Bildvergleiche sind hinreichend nachvollziehbar. Bei einigen bestehen Zweifel, ob die fragliche Vorlage wirklich benutzt wurde, da die Ähnlichkeiten zu vage sind; darauf wird entsprechend eingegangen. Andererseits dürfte es noch weitere Einflüsse geben, die nicht durch ein simples Nebeneinanderstellen der fraglichen Bilder erkennbar sind. Man kann davon ausgehen, dass sich die Zeichner bei der Formgebung einzelner Objekte, bei Mustern und Ornamenten auf Stoffen, bei Körperhaltungen von Skulpturen etc. von den Abbildungen in der IVK inspirieren ließen.
Abgesehen von der visuellen Rezeption ist es möglich, dass sich der künstlerische Leiter Lothar Dräger einige Anregungen für die Handlung in der IVK holte.
Mögliche Bildrezeption im Kapitel um den Schild des Poros
In den Heften 12/84 und 1/85 suchen Abrax und Alexander Papatentos einen Wischnutempel auf, um dort einen heiligen Schild zu holen. Am Ausgang des Allerheiligsten stehen zwei Steinskulpturen von indischen Gottheiten (Heft 1/85 S. 6). Diese könnten auf eine Abbildung in der IVK zurückgehen (Abb. 262 S. 183). Dort ist eine Zeichnung zweier in Stein gehauener Baumgottheiten aus Mathura in Uttar Pradesh zu sehen (2. Jhd. u.Z.). Einige Motive der Zeichnung und des MOSAIK-Bildes stimmen in etwa überein (Barbusigkeit, Schmuck, Laubwerk, Kleidung), doch erstens ist die Ähnlichkeit - vor allem in der Körperhaltung - doch recht vage und zweitens ist nicht klar, ob für ein Heft von Anfang 1985 bereits Vorlagen aus einem Buch von 1984 rezipiert werden konnten. Denkbar wäre, dass dem Zeichner eine andere Abbildung ähnlicher Steinfiguren vorgelegen hat.
Bildrezeption im Kapitel um den kleinen Wundermann
Das Dorftor
Die erste sichere Übernahme von Motiven aus der IVK findet sich in Heft 3/86 auf der großen Doppelseite 10/11. Das Eingangstor zum Reisdorf ist aus verschiedenen Vorlagen zusammengesetzt, enthält jedoch auch eine Menge eigener Kreationen des Zeichners (Horst Boche). Nachweislich aus der IVK stammen die beiden Vogelgruppen oben auf dem Tor und die kleine Abbildung mit Vater-Mutter-Kind am rechten Pfosten. Möglicherweise beruhen auch die Stierköpfe auf einer IVK-Abbildung.
Die hölzernen Vögel sind der Seite 100 entnommen (Abb. 143 und 144). Es handelt sich dort um hölzerne Pfauenaufsätze von Hausgiebeln aus Saora in Orissa. Im MOSAIK wurden sie seitenverkehrt abgebildet; Teile des Dachfirstes wurden für die Torpfosten übernommen.
Die kleine Abbildung am Pfosten hingegen stammt von einer Schnitzerei an einer Hochzeitstrage aus Bihar, die in IVK S. 223 abgebildet ist (Abb. 309 und 310). Einige weitere Motive am Dorftor (Reiter, Elefant, häusliche Szenen) könnten ebenfalls von Details der Trage inspiriert worden sein. Dieselbe Trage, die angesichts des eingeschnitzten Fahrrads aus dem 20. Jahrhundert stammen muss, wurde übrigens ein weiteres Mal als Vorlage genutzt, und zwar für die Kartusche von Heft 12/86 (siehe unten).
Die drei Stierköpfe in der Mitte des Torbalkens könnten einer Holzskulptur aus Karnataka entnommen worden sein, die einen tierköpfigen Dämon darstellt (IVK S. 275, Abb. 367). Die Form der Köpfe und das "Zaumzeug" sind sehr ähnlich.
Krishna Ghaunars Barke
Krishna Ghaunars Lustbarke auf dem Ganges in Heft 5/86 bietet drei hübsche Details, deren Vorlagen Egon Reitzl der IVK entnommen hat. Der Bugvogel (S. 9) stammt aus IVK S. 278 (Abb. 370) und stellt eigentlich eine pfauengestaltige Öllampe aus Messing dar. Die Hängelampe im Innern des Bootes (S. 11) kommt aus IVK S. 279 (Abb. 373) und ist eine südindische Metallarbeit aus dem 19. Jahrhundert. Der Teppich hinter Krishna Ghaunar (ebenfalls S. 11) entspricht einer Stickerei aus Saurashtra in Gujarat (IVK S. 136, Abb. 212).
Die Hafenkneipe
In Heft 8/86 auf der Doppelseite 10/11 hat man einen schönen Blick ins Innere einer Hafenkneipe in der Hauptstadt von Orissa. Neben einigen netten Gags (Flaschenschiff, Urkunde, Rettungsring etc.) wartet die Zeichnung auch mit zwei Gegenständen auf, die aus der IVK stammen: Die Kuhkanne auf dem Tisch und die Akrobatenlampe in der rechten Bildhälfte.
Die Kuhkanne stammt von einer Vorlage in IVK S. 320 (Abb. 306). Es handelt sich um ein Kupfergefäß aus Uttar Pradesh. Später, in Heft 12/86, findet sich eine Vogelkanne, die dieser Kuhkanne nachempfunden ist (siehe unten).
Die Akrobatenlampe hingegen ist in der IVK Seite 278 abgebildet (Abb. 372), also auf derselben Doppelseite wie oben die Pfauen- und die Vogelhängelampe. Es ist erneut eine südindische Arbeit aus dem 19. Jahrhundert.
Das Amulett der Alakshmi
In das Gewand des Brahmanen, um das sich die Abrafaxe mit Krishna Ghaunar streiten, ist ein Medaillon eingenäht, das Alakshmi zeigt, die Göttin der Armut (Heft 8/86 S. 16). Dasselbe Motiv findet sich im Palast des Königs der Armen an der Wand (Heft 10/86 S. 5). Die Vorlage dafür haben die MOSAIK-Zeichner der IVK S. 26 entnommen (Abb. 18). Es ist eine Bodenmalerei von Frauen aus Kumaon in Uttar Pradesh und stellt tatsächlich die Alakshmi dar, eine komplementäre Inkarnation der Lakshmi. Vermutlich stammt die Idee Lothar Drägers, Alakshmi zur Schutzgöttin des (fiktiven) Königs der Armen zu machen, also von dieser Abbildung in der IVK.
Der Palast des Königs der Armen
Abrax und Brabax besuchen den Palast des Königs der Armen in den Heften 8/86 und 10/86. Ein Fries an der Außenwand stammt möglicherweise, verschiedene Details des Foyers hingegen sicher aus der IVK.
Der Fries auf der Rückseite von Heft 8/86 könnte auf eine Holzschnitzerei aus Tamilnadu zurückgehen, die in IVK S. 271 abgebildet ist (Abb. 361). Sie stellt eine Tänzerin dar; einige Motive stimmen in der MOSAIK-Zeichnung und der Schnitzerei überein (Haarschmuck, Flügelornamente, Barbusigkeit, Arm- und Halsschmuck, Gestik), einiges andere ist jedoch recht unterschiedlich (z.B. die Beinhaltung und das Rahmenornament).
Die Eingangshalle des Palastes, die man auf S. 2 von Heft 10/86 sieht, bietet zwei prächtige architektonische Elemente: Zwei Holzsäulen mit kunstvollen Kapitellen und eine reich geschmückte Tür.
Die Kapitelle entstammen einer Vorlage in IVK S. 141 (Abb. 222), die eine Holzschnitzarbeit aus Mandvi in Gujarat abbildet.
Die Vorlage für das Holztor ist in der IVK zwei Seiten nach den Kapitellen abgedruckt: Abb. 224 auf S. 143. Es handelt sich um die Tür eines Schreines aus Gujarat aus dem 19. Jahrhundert.
Die Kartusche
Die Kartusche auf S. 2 von Heft 12/86 ist aus den verschiedensten indischen Motiven zusammengesetzt. Interessanterweise hat der Zeichner auch hierbei seiner Phantasie nicht völlig freien Lauf gelassen, sondern Details aus der bereits oben erwähnten Hochzeitstrage verwendet.
Die Vogelkanne
Nachdem sich die Abrafaxe auf dem Diwali-Fest wiedergefunden haben, lassen sie sich an einem Teeausschank nieder (Heft 12/86 S. 12). Dort steht eine Teekanne in Vogelform, die eine Abwandlung der bereits oben behandelten Kuhkanne darstellt (IVK S. 320, Abb. 306).
Bildrezeption im Kapitel um die goldene Säule
Jagannath
Das Heft 1/87 wartet nicht nur mit einer erfreulich ausführlichen Einführung in die Geschichte von Orissa auf, sondern auch mit einigen wunderbaren Motiven der indischen Religiosität. Auf der Eröffnungsdoppelseite 2/3 findet sich so neben einer Karte von Orissa, Bihar und Bengalen ein Bildnis des Gottes Jagganath (oder Jagannath). Dieses ist bis ins kleinste Detail nach einer Abbildung aus der IVK gestaltet (S. 82, Abb. 117). Das Vorbild ist eine bemalte Holzfigur aus Puri, dem Zentrum des Jagannathkultes.
Der Bettaltar
In der IVK ist auf der direkt folgenden Seite 83 die Abb. 118 zu sehen. Es ist eine Maske aus Pflanzenmark, die die Schlangengöttin Manasa darstellt und aus Goalpara in Assam stammt. Im MOSAIK findet man dieses Motiv stark vereinfacht in einem kleinen häuslichen Altar wieder (Heft 1/87 S. 7), am Kopfende eines Krankenbettes.
Der Wandteppich
Dass man der böse Statthalter der besetzten Provinz Bolangir ist, bedeutet ja noch lange nicht, dass man nicht die schönen Dinge des Lebens genießen dürfte. Deshalb sieht man im Statthalterpalast neben einigen reizenden Damen auch ein schönes Beispiel der indischen Teppichknüpfkunst (Heft 5/87 S. 11). Das Teppichmuster geht auf eine Stickerei aus Bengalen zurück, die auf S. 231 in der IVK abgebildet ist (Abb. 321). Diese stellt einen stark stilisierten Tempelwagen dar. Der MOSAIK-Teppich ist eine sehr freie Bearbeitung des Originalmotivs, doch die wesentlichen Übereinstimmungen kann man gut erkennen (Körperhaltung der Figuren, Kreise unten, Bögen oben, Kastenmuster in der Mitte, wellenförmiges Randornament u.a.m.).
Die Harfe
Um sich von den nervigen Regierungsgeschäften zu entspannen, sucht der Statthalter die Nähe von Musik. Dazu hat er zwei Künstlerinnen engagiert: Die eine spielt die Sitar, die andere die Harfe (Heft 10/87 S. 10). Für letzteres Instrument hat die MOSAIK-Zeichnerin (Irmtraut Winkler-Wittig) eine Vorlage aus IVK genutzt (S. 88, Abb. 126).
Bildrezeption in der Orang-Laut-Serie
Die Abrafaxe und Alexander Papatentos reisen zu den Orang Laut, um die entführte orissanische Prinzessin Tschandra zu befreien. In Heft 5/88 S. 10/11 finden Abrax und Brabax in einer abgelegenen Hütte, in der der Chef der Orang Laut sein Diebesgut hortet, den persönlichen Hausrat der Prinzessin. Für diese Gegenstände dienten wieder Abbildungen aus der IVK als Vorlage, und zwar drei bereits bekannte und zwei neue.
Die Akrobatenlampe, die Kuhkanne und die Harfe
Für diese drei Objekte wurden Vorlagen zum zweiten (bzw. gar zum dritten) Mal umgesetzt:
Die Glöckchenkanne und der Porzellanelefant
Die Glöckchenkanne und der Porzellanelefant hingegen finden sich das erste Mal im MOSAIK. Der Elefant spielt sogar als Versteck für einen Schlüssel eine wichtige Rolle.
Mögliche inhaltliche Inspiration: Vidusaka
Neben der gesamten visuellen Rezeption könnte ein Textabschnitt am Ende der IVK (S. 297) inspirierend für den Autor des MOSAIK, Lothar Dräger, gewirkt haben:
Möglicherweise kam er hierdurch auf die Idee, den Spaßmacher Vidusaka in die Handlung einzubauen.
Literatur
- Heinz Mode und Subodh Chandra, Indische Volkskunst, Leipzig 1984