Puppenkrise

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Die Puppenkrise von Heppenstedt ist ein Ereignis aus der Johanna-Serie im Mosaik ab 1976.

Inhaltsverzeichnis

Gegenstand und Auslöser der Krise

Bei der Krise handelt es sich um eine Wirtschaftskrise in Form einer Spekulationsblase mit zahlreichen Begleit- und Folgeerscheinungen. Dreh- und Angelpunkt sind die so genannten "Zappizupps". Das sind eigentlich einfache (und nebenbei abgrundtief hässliche) Handpuppen aus billigen Materialien. Weil die Abrafaxe der Produzentin der Puppen, der alten Martha helfen wollen, erklären sie nach einer despektierlichen Bemerkung einiger Heppenstedter die hässlichen Puppen kurzerhand zu über die Maßen wertvollen Objekten. Die Bezeichnung "Zappizupp" wird dabei spontan von Abrax erfunden. Legitimiert wird der angebliche Objektwert durch ebenfalls erfundene Besitz- und Herkunftsangaben: Kaiser Friedrich habe einen und der Papst mindestens ein Dutzend Zappis im Besitz, und der König von Frankreich habe welche bestellt. Ihren Zappizupp hätten die Faxe vom Kaiser von Konstantinopel erhalten.

Die soeben in die Welt gesetzte Legende wird von den Heppenstedtern sofort geglaubt und entwickelt in kurzer Zeit ein vollständiges Eigenleben. Der Bäckermeister und der Kaufmann erwerben nicht nur das verfügbare Puppenkontingent zu einem erhöhten Preis, sondern mit jedem Weiterverkauf steigt der Kurs der Zappis immer höher. Unbedachte Bemerkungen – etwa die der Abrafaxe, dass Zappizupps nicht mit Gold aufzuwiegen seien – finden ebenfalls Gehör und bestärken die Menschen in der Überzeugung, eine lukrative Geldanlage aufgetan zu haben. Untereinander verbreiten zahlreiche Einwohner von Heppenstedt alle möglichen alten wie neuen Teile der Geschichte, wobei die Aussagen teils gezielt, teils unbewusst hochgespielt werden. Dadurch verstärken sich wiederum die Effekte der Legende, und die Spekulation wird weiter angeheizt. Hieraus entwickelt sich schließlich eine echte Krise.

Die Puppenkrise führt zu Panikverkäufen

Verlauf der Spekulationsblase

Der Originalwert der Zappizupps ist unbekannt. Der – bereits überhöhte – Erstverkaufspreis der Ware beträgt ein halbes Silberstück für 19 Puppen. Die weiteren Stufen der Spekulationsblase entwickeln sich wie folgt:

  • Im Wirtshaus geht ein Zappizupp für den Gegenwert von mindestens einem Krug Wein über den Tisch.
  • Bäckermeister Ullrichs Frau verkauft an die Schneiderin und weitere Damen Zappis für 3 Silberstücke pro Stück, an die Kaufmannsfrau Renate schon für 8 Silberlinge.
  • Der Bürgermeister erwirbt einen für 12 Silberstücke.
  • Nach Informationen über Werte von 15 und 20 Silberstücken kauft der Bäcker zahlreiche Zappis für 35 Silberlinge pro Stück zurück. Ebenso viel zahlt der Schneider für den Zappi der Abrafaxe.
  • Der Schuster bezahlt 50 Silberstücke.
  • Die weiteren Geschäfte finden im Wirtshaus statt. Der Schreiner zahlt 65 Münzen, bevor der Kurs mit 85 Silbermünzen seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Für diesen Preis erwirbt der Bäckergeselle im Auftrag einer Gesellengemeinschaft eine Puppe.

Nunmehr kommt es zu einem Bruch innerhalb der bis dahin stetig ansteigenden Spekulationskurse. Der Kaufmann wittert eine ganz andere Spekulationsmöglichkeit – er setzt auf spekulativ fallende Kurse. Dazu stößt er eigene Zappizupps unter Kurswert ab, so dass der Preis über die Stufen 55, 50, 45 und 40 tatsächlich in den Keller geht und er schließlich für nur 20 Silberstücke pro Zappi zuschlagen kann. Damit macht er zunächst ein gutes Geschäft, denn er hatte mit Ullrich zuvor einen Preis von 60 Silberstücken abgemacht. Nun muss Ullrich 420 Mäuse an Rudolf blechen, was einen Reibach von 280 Münzen (plus 105 für zwei zuvor abgestoßene Puppen) für den Kaufmann bedeutet. Allerdings schuldet er dem Bäcker noch zwei Zappizupps. Da aber auf dem Markt so gut wie keine Puppen mehr zu haben sind, muss Rudolf an den Schuster für nur diese zwei Zappis 450 (!) Geldstücke berappen, so dass er am Ende 65 Silberlinge Verlust (450 abzgl. 280 und abzgl. 105) gemacht hat. Glücklicherweise besitzt er noch einen Schuldschein auf Ullrichs Bäckerei, den er einfordert, worauf der Bäcker ruiniert ist. Der Bürgermeister hat mittlerweile den Handel mit den Zappizupps vollständig verboten, so dass die eigentliche Spekulationskrise damit abrupt beendet werden kann.

Die Folgen der Krise allerdings bleiben den Heppenstedtern nicht erspart. Einige sind Totalverlierer. Dies betrifft vor allem Bäckermeister Ullrich, der jetzt ohne Habe dasteht und mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt wird. Andere trifft es nicht so hart, aber die finanziellen Einbußen oder sogar langfristigen Schulden bleiben ihnen nicht erspart. Wieder andere – wie der Kaufmann Rudolf – sind noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen. Nur wenige, vor allem der Schuster und die alte Martha, können sich als Gewinner der Krise sehen.

Wirtschaftsbezogene Grundlagen und Vorbilder

Die Tulpenkrise

Zwar sind auch schon aus dem Mittelalter durch Spekulationen ausgelöste Wirtschaftskrisen bekannt. Dennoch gilt die so genannte Tulpenkrise in Holland als die erste wirklich gut dokumentierte und bekannteste derartige Spekulationskrise der Neuzeit. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stieg innerhalb weniger Jahre die Nachfrage nach Tulpenzwiebeln rasant an. Es bgeann eine regelrechte Hysterie, die darin gipfelte, dass sich Anfang 1637 der Preis in nur wenigen Tagen verdoppelte. Dann jedoch hatte der Kurs Höhen erreicht, die niemand mehr zahlen konnte und wollte. Bereits einen Monat später brach die Spekulationsblase in sich zusammen und der Handel kam nach einem Preissturz von 95 Prozent völlig zum Erliegen.

Die Tulpenkrise wird im Mosaik im redaktionellen Teil des Heftes 397 beschrieben.

Die wirtschaftlichen Prinzipien

Für das Mosaikheft stand sicherlich die zum damaligen Zeitpunkt akute weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise Pate. Möglicherweise spielt bei einigen Details auch noch die Erinnerung an die so genannte Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende eine Rolle. Die Darstellung im Mosaik beschreibt auf ziemlich prägnante und anschauliche Weise die Wirkungsweise und Folgen von Spekulationsgeschäften, wenn auch natürlich stark komprimiert und in der Schnelligkeit des Ablaufes deutlich überzeichnet.

Zunächst erleben wir eine Erhöhung des Preises oder Kurswertes einer Ware über deren tatsächlichen Wert (den inneren Wert) hinaus. Wie oben geschildert, wird dann durch verschiedene Umstände wie Gerüchte oder übertriebene Gewinnerwartungen der Kurs immer weiter in die Höhe getrieben. Eigentlich solide Gewerbetreibende werden dazu gebracht, Kapital zu investieren, welches sie nicht haben – Anleihen und Hypotheken werden aufgenommen (Beispiel: Bäckermeister Ullrich). Es kommt sogar dazu, dass nicht nur die üblichen Teilnehmer des Wirtschaftskreislaufes, sondern auch bisher unbeteiligte "Normalbürger" (Beispiel: Die vier Handwerksgesellen, siehe weiter unten) zur Partizipation an dem vermeintlich unfehlbaren Geschäft verleitet werden. Auf ihren Höhepunkt endet die Spekulationsblase schließlich. In Heppenstedt wird sie durch ein Handelsverbot beendet (was historisch eher unüblich war), ansonsten wäre sie sicher auch so bald geplatzt.

Kurz vor dem Höhepunkt der Ereignisse erleben wir noch zwei Optionsgeschäfte:
In dem einen Fall schließt Rudolf mit dem Bäcker eine Verkaufsoption über sieben Zappis à 60 Silberstücke ab, obwohl der Kuswert zu diesem Zeitpunkt weit darüber liegt. Jedoch hat die Kurswertspekulation von Rudolf Erfolg, und Ullrich muss zum Terminablauf die Erwerbung tätigen, obwohl der Kurswert mittlerweile nur noch ein Drittel des Optionspreises beträgt.
In dem anderen Fall schließt Rudolfs Frau Renate mit Martha eine Lieferoption über die Puppenproduktion des Folgejahres ab. Für eine Anzahlung von 3 Silbermünzen wird Martha ein Abnahmepreis von 70 Silberlingen pro Zappi garantiert, wofür die Alte eine Exklusivliefergarantie an Renate abgeben muss. Diese Option wird nicht eingelöst, da sich Rudolf mit der Hypothek zum Nachteile Ullrichs aus dem Optionsgeschäft mit Martha herauskaufen kann.

Am Beispiel Rudolfs wird zudem sehr schön der Risiko-Effekt eines Leerverkaufs beschrieben. Rudolf borgt sich von Ullrich sieben Zappis und bietet ihm weitere sieben im Rahmen des eben geschilderten Optionsgeschäfts an. Rudolf besitzt aber die angebotenen Zappis noch gar nicht – er tätigt also eben jenen Leerverkauf in der Erwartung, die Lieferung schon irgendwie beibringen zu können. Zunächst scheint alles zu klappen; Rudolf besitzt schließlich bei geringer Investition 12 Zappis. Anstelle zunächst die geborgten zurückzugeben und dann die restlichen fünf für einen Stückpreis von 60 Münzen an Rudolf zu verkaufen, veräußert Rudolf zuerst die volle Zahl von sieben Puppen und will danach seine Schulden begleichen. Nun aber ist der Markt leergefegt – die noch benötigten zwei Puppen sind nur noch völlig überteuert zu bekommen. Rudolfs Spekulation mit dem Leerverkauf ist also fehlgeschlagen, er muss draufzahlen.

Die Verlierer der Puppenkrise

Beteiligte am Wirtschaftskreislauf

Innerhalb des Kaufs, Verkaufs- und Spekulationsgeschehens lassen sich recht gut typische Beteiligte identifizieren. Die folgende Aufzählung ist vielleicht etwas sehr fokussiert, erhebt jedoch auch keine Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Der Wirtschaftslenker / Insider / Broker: Kaufmann Rudolf
Er kennt sich mit Anlage-Geschäften vor Ort per se am Besten aus, verleiht einerseits Kapital an andere Beteiligte im Wirtschaftskreislauf und ist andererseits selbst an erster Stelle am Spekulationsgeschäft beteiligt. Seine kühl geplante Kurswertspekulation geht zunächst auf und führt zu einer Kapitalvermehrung. Zwar verspekuliert auch er sich, insbesondere durch einen hochrisikobehafteten Leerverkauf, jedoch hat er rechtzeitig durch Absicherungsgeschäfte vorgesorgt. Er saniert sich auf Kosten anderer Beteiligter.
  • Der Mittelstand: Bäckermeister Ullrich und die anderen Handwerker
Sie sind normalerweise zwar nicht hauptberuflich im Investmentbereich tätig, steigen aber zwecks Kapitalanlage gelegentlich mit Beteiligungen in Geschäfte ein. Durch den Hype lassen sie sich dazu verleiten, teilweise mehr als das flüssige Kapital einzusetzen und nehmen Schulden auf. Der Ausgang für sie ist unterschiedlich: Der Bäcker verliert alles, da er in übertriebener Gewinnerwartung seinen Grundbesitz verpfändet hat und nicht mehr auslösen kann. Andere (etwa der Schneider und der Bürgermeister) kommen mit erträglich Verlusten davon; ihre Geschäfte bleiben unbeeinträchtigt. Nur der Schuster kann durch glückliche Umstände oder Geschick (Zurückhaltung beim ersten Kurssturz, Verkauf bei extremer Marktverknappung) Gewinn erzielen.
  • Die Normalbevölkerung: Die vier Handwerksgesellen
Sie sind normalerweile überhaupt nicht am Wirtschaftsgeschehen beteiligt, sondern ausschließlich Entgeldempfänger durch abhängige Arbeit. Durch den extremen Hype und völlige Unkenntnis über die realen Gewinnmechanismen lassen jedoch auch sie sich verleiten, in den neuen Markt zu investieren (man spricht von einer so genannten „Hausfrauenrallye“). Teils setzen sie sämtliches Ersparte, teils nehmen sie langfristige Schulden auf. Im Ergebnis haben sie die höchsten Preise gezahlt und erleiden bei Panikverkäufen die höchsten Verluste; sie sind die eigentlichen Verlierer, da sie weder kurz- noch mittelfristig hoffen können, das verlorene Geld ersetzen oder verdienen zu können.

Wikipedia-Links

Die Krise erschüttert folgendes Heft

397
Persönliche Werkzeuge