Unsere Welt von Morgen
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Unsere Welt von Morgen ist ein Sachbuch, welches nach eigenem Anspruch einen Blick in die Zukunft werfen und die Welt des Jahres 2000 darstellen will. Es diente dem Mosaikkollektiv als Quelle für die Neos-Serie im Mosaik von Hannes Hegen.
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Das Werk
Die Edition
Die Erstausgabe von Unsere Welt von Morgen - Der Mensch und seine Welt (im Folgenden: UWVM) erschien 1959. Möglicherweise war dies gerade rechtzeitig, um für die im selben Jahr erscheinende Neos-Serie noch rezipiert werden zu können. Es ist aber ebenso wahrscheinlich, dass vor allem Heinz Handschick, von dem die technischen Illustrationen stammten, die längst fertigen Vorlagen mit für die Mosaik-Gestaltung übernahm. Das ursprüngliche Erscheinen war nämlich schon früher geplant gewesen, wurde aber - wie beim Buchprojekt Auf dem Weg zu fernen Welten - wegen des sowjetischen Sputnik-Starts verschoben, um die aktuellen Entwicklungen noch gebührend würdigen zu können.
Autoren der UWVM waren Karl Böhm und Rolf Dörge, die Farbtafeln stammten von Eberhard Binder. Fotos wurden aus verschiedenen Quellen bezogen, die Gestaltung und Typographie übernahm Horst Wolff. Bereits 1960 erschienen eine zweite und dritte Auflage, die alle im Verlag Neues Leben Berlin herausgebracht wurden. Die dritte Auflage war als Volksausgabe zum Preis von 8,60 M erhältlich, während die ersten beiden Ausgaben noch je 16,50 M kosteten. Im Original sind auf Einband, Buchrücken und Titelseite der Titel und der Untertitel durchweg mit Kleinbuchstaben geschrieben. Die erste Auflage erschien noch mit schmucklosem Bucheinband und dafür mit buntem Schutzumschlag, während ab der zweiten Auflage der eigentliche Bucheinband mit Illustrationen versehen war.
Eine Zeitlang wurde das Buch als Jugendweihe-Gabe verschenkt (diese Exemplare erhielten eine besondere Ausstattung), bis es allmählich von "Weltall, Erde, Mensch" abgelöst wurde. Auch als Preis für richtige Lösungen zur Mosaik-Beilage Steinchen an Steinchen ist das Buch bekannt.
Der Wissensstand entspricht dem der 50er Jahre. Selbstverständlich würde der Sozialismus die entscheidenden Elemente für die "Welt von Morgen" liefern. Die völlige Technisierung der Zukunft wurde als strahlende Perspektive verkauft:
Wie wird unsere Welt sich verwandeln, wenn die neuen Errungenschaften der Wissenschaft erst einmal voll zum Einsatz gelangen? Quellen des Überflusses werden erschlossen, aus denen Ströme des Reichtums fließen. Die alte Mutter Erde wird ihr Antlitz bis zur Unkenntlichkeit verändern: Der Globus wird nach den Bedürfnissen der Menschen gründlich umgestaltet. Neue Städte und Fabriken, Verkehrslinien und technische Großbauten aller Art werden ihn überziehen. Aber auch [...] großräumige "geographische Korrekturen" von kontinentalen Auswirkungen gehören zu dem sinnvollen Ganzen der Welt, in der wir morgen leben werden. |
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Quelle für das Mosaik
Atomfrachter
Das Heft 33 singt ein Loblied auf die Atomkraft als Antriebsquelle für alle möglichen Verkehrsmittel. So wird im redaktioenllen Beitrag Kraftquelle Atom auf der Rückseite der Atomeisbrecher "Lenin" vorgestellt. Die Heftmitte (S. 18/19) bringt in der reaktionellen Rubrik Professor Schlick erklärt die Schnittdarstellung eines Atomschiffes und dazu einen Größenvergleich des Atomreaktors im Bezug zur Schiffsgröße. Die dazu verwendete Abbildung lehnt sich an ein Vorbild aus UWVM an:
UWVM spekulierte außerdem, dass der Atomantrieb "in absehbarer Zeit für neue Schiff oberhalb einer gewissen Größenordnung, die zunächst wahrscheinlich um 10.000 t herum liegen dürfte, selbstverständlich sein wird". Aha.
Atomloks
Die Vision einer Atomlok wird - neben Atomeisbrecher und Atomflugzeug(!) - auf der Rückseite von Heft 33 entwickelt. Hier ist der Text eine kondensierte Version der UWVM-Vorlage beziehungsweise eine Übernahme aus dem früheren Originalartikel von Böhm/Dörge aus deren Werk Gigant Atom von 1957 (S. 296-298):
Text aus UWVM, S. 110 | MOSAIK 33, Seite 24 |
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Das setzt selbstverständlich voraus, daß ein völlig neues Eisenbahnnetz für diese "Atomkraftwerke auf Schienen" entwickelt werden muß. Von sowjetischen Konstrukteuren wurde bereits [...] mit der Projektierung einer transkontinentalen Eisenbahnverbindung begonnen, deren Spurweite viereinhalb Meter betragen soll. Solche Mammut-Eisenbahnwagen gleichen sicherlich modernsten Hotels mit allem erdenklichen Komfort. | Bequem wie in einem Hotel wird man in dem von einer Atom-Lokomotive gezogenen D-Zug reisen. Die geplante Spurweite von 4,5 Metern ermöglicht den Bau von sehr geräumigen Wagen. |
Außerdem vermeldete UWVM, dass "in der Sowjetunion noch in den Jahren 1960-1965 ein Reisezug mit Atomantrieb in Dienst gestellt werden [soll]" und dass "in weniger als einem Vierteljahrhundert [sprich: bis 1984] sich die dicken Striche der Atombahnen wohl über das Antlitz aller Kontinente auf unserem Globus ziehen [werden]" (UWVM, S. 318/319)
Automatenrestaurant
Die meisten Vorlagen aus UWVM wurden fur das Mosaik 29 entlehnt bzw. nachgenutzt. Das Heft beschreibt die Ankunft der Digedags auf dem Neos, wobei sich die Zeichner mit futuristischen Visionen ordentlich verausgabt haben. Eine der Ideen, an die sich zumindest angelehnt wurde, ist das Automaten-Restaurant:
Die in UWVM beschriebene Funktionsweise eines Automatenrestaurants kommt dem Auftritt Rasmus Rotters ziemlich nahe:
"Sogenannte Automatenrestaurants [... lassen] sich übrigens in sehr vielfältigen Formen und sogar gemütlich gestalten. Sie werden den Haupttyp der kleineren und "schnellen" Gaststätten und Imbißstuben der Zukunft darstellen. [...] Und es wird die Gäste nicht im geringsten stören, daß sie ihre Getränke und Speisen aus den Automaten an den Wänden ohne jeden Zeitaufwand selbst entnehmen." |
Automatische Straße
Eine weitere originelle Idee stellt die Automatische Fernstraße dar. Hier wurden die Wort- und Bild-Vorlagen aus UWVM in ein Übersichtspanel eingebaut:
Der textliche Vergleich ergibt folgende Übereinstimmung:
Text aus UWVM, S. 323 | MOSAIK 29, Seite 3 |
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Eine große Rolle im Autoverkehr der Zukunft [...] kommt jedoch, neben der Straßenanlage, der Fernsteuerung zu. [...] Man stellt sich vor, daß vermittels elektromagnetischer Signale, die von Kontrolltürmen oder von Metallfolien im Straßenbelag ausgestrahlt werden, unmittelbar über Steuerungsautomaten in den Fahrzeugen selbst die gesamte Verkehrsregelung unter Ausschaltung des Fahrers automatisch erfolgt. Außerdem ist jedes Fahrzeug mit einer Radaranlage ausgestattet, die über ein kleines, relativ einfaches "Elektronengehirn" hinweg ebenfalls auf den Steuerungsautomaten einwirkt, um Zusammenstöße aller Art, auch auf Nebenstraßen, unter allen Umständen zu verhindern. | In die Mitte der Fahrbahn ist ein Metallband eingelassen. Durch dieses Band wird ein elektrischer Strom geschickt. Dadurch bildet sich um die Metallschiene ein Kraftfeld. Zwei elektrische Suchgeräte [...] bleiben dem Kraftfeld immer auf der Spur und steuern über eine Automatik den Wagen. Das Metallband ist ein Sender, der elektromagnetische Wellen ausstrahlt. Die Suchgeräte empfangen die Wellen und übertragen die elektrischen Impulse auf den Autopiloten, der den Wagen automatisch steuert. Ein Radarsender tastet mit seinen Wellen die Straße vor dem Wagen ab. Treffen die Wellen auf ein Hindernis, werden sie zurückgeworfen. Ein Regler empfängt diese Warnsignale und bringt den Wagen zum Stehen. Dadurch werden Unfälle unmöglich. |
Autos der Zukunft
Auch die in Heft 29 zahlreich abgebildeten futuristischen Autos ähneln frappierend denjenigen aus UWVM, wenn man zunächst die Details auf den Panoramabildern vergleicht:
Insbesondere jedoch zwei größer dargestellten Autos aus dem Heft kann man die Anlehnung an die UWVM-Vorlage deutlich ansehen. Dies sind das Turbinenauto der Neonischen Familie und ein Fahrzeug, das auf der Titelseite größer zu sehen ist. Vorlage sind die beiden Autos auf dem Umschlagbild von UWVM (zu letzterem siehe Abbildung am Kopf der Seite):
Man beachte insbesondere die Glaskuppel des rechten Fahrzeugs, die hochstehenden Heckflossen an beiden Autos, die Kühlergrille und die Scheinwerfer des Turbinenautos.
Polymerisation von Kunststoffen
In UWVM wird die Polymerisation bzw. deren Spezialfall Polyaddition anhand eines Beispiels erklärt, in welchem sich Kinder auf einem Schulhof an den Händen fassen und immer längere Ketten bilden. Während in UWVM von rot und blau markierten Kindern die Rede ist, wird im Mosaik von Jungen und Mädeln gesprochen (die Abbildung im Mosaik zeigt die Jungen in blauem Hemd und die Mädchen im roten Rock), ansonsten der Text etwas variiert übernommen:
Text aus UWVM, S. 192 | MOSAIK 40, Seite 5 |
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Es ist, als wollten sämtliche Kinder auf einem großen Schulhof lange Ketten bilden ... die eine Hälfte der Kinder hat ein rotes Bändchen um den Arm, die andere ein blaues. Die mit dem roten dürfen untereinander keine Kette bilden, und die mit dem blauen unter sich auch nicht. Sowie sie alle zusammen kommen, geht das Spiel los: die Roten greifen die Blauen und umgekehrt, und die freien Enden der Kette greifen immer neue Partner auf. Das ist, einfach erklärt, die Schema der in natura viel komplizierteren Polyaddition. | Stellt euch einen Schulhof vor, auf dem sich Jungen und Mädel paarweise an der Hand gefasst haben und fröhlich herumtollen ... Auf einen Zuruf des Lehrers gibt jeder Junge und jedes Mädchen eine Hand frei und versucht, ein anderes Paar zu erhaschen (...). Aus den Paaren haben sich nun mehr oder weniger lange Ketten gebildet. Die kleinste kann aus zwei Paaren bestehen, die längste kann alle Jungen und Mädchen vereinigen. Diese Kettenbildung der Moleküle nennt man Polymerisation. |
Staudamm am Schwarzen Fluss
Ganz im Sinne der in UWVM postulierten "geographischen Korrekturen" übernimmt das Mosaik als großes Thema der Landschaftsumgestaltung in Heft 30 die Anlage eines Staudamms. Es wird eine wilde, urtümliche Landschaft gezeigt ("Der Schwarze Fluss vor Errichtung der Staudämme", Kästchen S. 9) und dann auf einem großen Panoramabild die zubetonierte Landschaft nach dem Staudammbau:
Aus UWVM stammt klar das Grundensemble des Staudamms zur Versorgung von Städten (im Mosaik ist die Stadt weiter nach oben gerückt) und Industrie. Kraftwerk und Umspannwerk am Staudamm wurden von links nach rechts bewegt. Die im Mosaik in die Abbildung eingebauten Elemente "Bootshaus" und die zwei Restaurants stammen aus der nach obiger folgenden Bildtafel in UWVM, welche ein Naherholungsgebiet am Wasser präsentiert. Im Mosaik wird außerdem noch einmal auf der Heftrückseite auf die segensreichen landschaftsgestalterischen Eingriffe des Menschen hingewiesen.
Zentralkreuz
Ein besonderer Blickfang in Heft 33 ist die Doppelseite 12/13 mit der Darstellung eines riesigen Verkehrsknotens in der Hauptstadt der Republikanischen Union. Dieses Panoramabild ist ein Komposit aus mindestens zwei Abbildungen aus UWVM:
Besonders markant sind die immer wiederkehrenden "Landeplätze für Hubschrauber" auf den Kaufhausdächern. Außer der Darstellung auf der Bildtafel enthält auch der Rücktitel von UWVM die Zeichnung eines Verkehrsknotens ("An der Peripherie der Großstadt"), aus der einige Elemente für das Panoramabild entlehnt worden sind.
Externe Links
- Unsere Welt von Morgen bei Orlandos Wörld
- Weitere interessante Textauszüge aus UWVM
- "Atomlokomotiven" in der Wikipedia