Sualems Wasserkraftwerk

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Die Maschine von Marly in einem Gemälde von Pierre-Denis Martin, 1723

Sualems Wasserwerk ist eine Erfindung aus der Erfinder-Serie im Mosaik von Hannes Hegen. Vorbild ist die Maschine von Marly, ein bereits bei Fertigstellung anachronistisches Maschinenmonstrum zur Wasserversorgung der königlichen Gärten von Versailles und Marly.

Inhaltsverzeichnis

Rolle im Mosaik

Detail aus Sualems Wasserwerk

Wettbewerb

Im Jahre 1678 erlässt der französische König Ludwig XIV. einen Wettbewerbsaufruf, um eine leistungsfähige Wasserförderanlage für den Schlosspark von Versailles bauen zu lassen. Rennequin Sualem, ein einfacher Zimmermann aus Lüttich, reist trotz der großen Konkurrenz an, um seinen Entwurf zu präsentieren. Als er sein großartiges Holzmodell seiner Riesenförderanlage enthüllt, ist der König wahrlich beeindruckt. Sualem beschreibt ihm die Funktionsweise seiner Anlage bis ins kleinste Detail. Ludwig XIV. erteilt ihm den Zuschlag für den Bauauftrag.

Funktionsweise

Die mehrseitige Vorstellung der Förderanlage und die detaillierte Beschreibung Sualems innerhalb seiner Sprechtexte lassen diesen Teil des Heftes 55 (die Seiten 18-20) zu einem quasi-redaktionellen Teil werden. Die Doppelseite 18/19 zeigt zunächst eine große Panorama-Ansicht der Gesamtanlage. Auf einer weiteren Seite werden Details erläutert, und schließlich rundet die (echte) redaktionelle Rückseite die Beschreibung der Maschine ab.

Vierzehn Wasserräder werden von der Seine angetrieben und setzen 221 Pumpen in Gang. Die Maschine schafft es tatsächlich, über diese Pumpen und hunderte Meter von Gestängen die 160 Höhenmeter zu überwinden und fast einen Kilometer weit zum Park zu transportieren. Fertiggestellt wird die Anlage 1685 und arbeitet 132 Jahre lang, also sogar bis nach der Französischen Revolution.

Historische Rolle

Über die Urheberschaft der Maschine von Marly gibt es verschiedene Versionen. Neben Rennequin Sualem wird vor allem der ebenfalls aus Belgien stammende Arnold de Ville genannt. Doch auch Ingenieure wie Vauban haben Anteil am Bau. Von einer eigentlichen "Erfindung" kann man übrigens nicht sprechen, denn alle verwendeten Elemente waren bereits bekannt. Nur die gigantische Größe war etwas Neues.

Einen regelrechten Wettbewerb, wie er im MOSAIK dargestellt wird, gab es nicht. Der Finanzminister Colbert stand jedoch mit mehreren Gelehrten und Ingenieuren in Kontakt, deren Ansichten er einholte. Denn bereits seit der Mitte der 1670er Jahre war er auf der Suche nach einer Lösung für das Wasserproblem. Neben Denis Papin wurde so auch Christian Huygens konsultiert. Über den Comte de Marche, für dessen Schloss von Modave Sualem 1667 ein Pumpwerk gebaut hatte, kam es schließlich zum Kontakt mit dem Lütticher Zimmermann. Als eigentlicher Auftragnehmer fungierte Arnold de Ville, der als Verwalter von Modave und dessen Pumpanlage gewirkt hatte. Sualem und de Ville errichteten quasi als "Generalprobe" 1679/80 ein Pumpwerk für das Schloss von St. Germain, die so genannte Maschine von Palfour. Da der König sich mit den Fertigkeiten der Belgier zufrieden äußerte, bekamen sie den Auftrag für Versailles. Erst nachdem man dort mit dem Bau begonnen hatte, machten einige Konkurrenten auf sich aufmerksam, darunter der englische Techniker Morland. Deren Ideen, die teilweise moderner waren, wurden jedoch nicht mehr berücksichtigt.

Der Aquädukt von Louveciennes in einem Gemälde von Alfred Sisley, 1874

Die Maschine wurde in Bougival an der Seine errichtet, ca. 15 km außerhalb von Paris. Von dort wurden über drei Stufen (48, 56 bzw. 57m) 2000 bis 2500m³ Wasser pro Tag in Speicher beim höher gelegenen Ort Luciennes (heute Louveciennes) gepumpt und schließlich - jeweils bei Anwesenheit des Königs - über Aquädukte in die Parks von Versailles oder Marly geleitet. Diese Wassermenge reichte für Versailles, das mindestens die zehnfache Quantität brauchte, bei weitem nicht aus, so dass andere Wege zur Wasserbeschaffung (Kanalbau, Flussumleitung etc.) gesucht werden mussten. Sualems Anlage wurde daher bald nur noch für den Park von Marly genutzt - daher auch der Name. Das Wasserhebewerk war zudem extrem laut, höchst störanfällig und musste von einem ständigen Stab von 60 Leuten bedient werden. Nach 1750 fiel die Leistung auf 1000-1500m³ ab, und nach der Französischen Revolution auf 600-1000m³. Die Anlage wurde umfunktioniert und versorgte nun statt des Schlosses die Stadt Versailles und die umliegenden Gemeinden mit Trinkwasser. Im Jahre 1817 wurde der Betrieb eingestellt und die Maschine abgerissen.

Teile der Anlage wurden in die neu gebaute Maschine übernommen, die hauptsächlich mit Dampfpumpen arbeitete. Ab 1859 ersetzte erneut eine hydraulische Anlage die Dampfmaschinen, deren Betrieb zu teuer geworden war. Diese "zweite Maschine von Marly" war bis 1963 in Betrieb. Ab dann übernahmen elektrische Pumpen die Wasserversorgung.

Anmerkungen

  • Es gibt divergierende Angaben zur Zahl der Pumpen. Dies beruht darauf, dass neben den 221 für die reine Wasserbeförderung eingesetzten einige weitere Pumpen zum Transport des Kühlwassers und andere kleinere Aufgaben dienten.
  • Ebenfalls teilweise anders als die oben wiedergegebene Geschichte der Maschine sind die Angaben, die Lothar Dräger in der Beilage zu Heft 55 macht. Diese seien zur Übersicht hier vollständig zitiert, ergänzt um kleinere Anmerkungen in eckigen Klammern:

Ein wahrhaft königliches Problem war es früher also, wenn sich Majestäten bemühten, darüber nachzudenken, wie man Wasser bergauf fließen lassen könnte. In unseren Pumpspeicherwerken an der Elbe und Saale ist das heute eine alltägliche Angelegenheit. Und eine ernsthafte Sache, keine solche Spielerei wie die Maschine zu Marly. [...]

"In einem kühlen Grunde, das geht ein Mühlenrad", möchte man beim Anblick der Maschine von Marly (auf dem Bild rechts) vor sich hinsummen. Nun waren es ja vierzehn Riesenräder, und sie drehten keine Mühlsteine, sondern betrieben über ein 20 Kilometer langes Gestänge 235 Pumpen. Und das alles nur, um stündlich etwa 100 Kubikmeter Wasser [entspricht 2400m³ täglich] für des Königs Springbrunnen bergauf fließen zu lassen. Später ließ die Leistung immer mehr nach und betrug nur noch ungefähr 25 Kubikmeter stündlich [entspricht 600m³ täglich]. Das war für einen solchen Riesen doch recht jämmerlich. Aber immerhin war er damals schon mehr als hundert Jahre alt, und da ist es kein Wunder, daß er allmählich schwach und klapprig wurde.

Dabei hätte man ihm ein paar Jahre zuvor beinahe den Garaus gemacht. Als damals die Männer der Französischen Revolution den König Ludwig XVI. abgesetzt hatten, wollten sie auch die nutzlose und kostspielige Maschine abreißen lassen. Aber die Bürger von Versailles fanden, daß die Anlage ihre Stadt genausogut mit Trinkwasser versorgen könne. So mühten sich die knarrenden Riesenräder bis zum Jahre 1817 ab, wo ihnen eine Dampfmaschine [...] die Arbeit erleichterte, denn ganz pensioniert war der Riese von Marly immer noch nicht. Zwei seiner Räder drehten sich zur Unterstützung der Dampfmaschine bis zum Jahre 1855 in der Strömung der Seine rastlos weiter.

Von nun an übernahm es die Dampfmaschine ganz allein, das Wasser den 162 Meter hohen Berg hinanfließen zu lassen. Von 1856 an - in diesem Jahr wurden die Fundamente der alten Maschine abgerissen - trieb eine 95-PS-Dampfmaschine die Pumpen an. Nach drei Jahren wurden abermals Wasserräder, diesmal von modernerer Bauart, in die Anlage eingebaut. Schließlich, es war um das Jahr 1900, strömten die Wasser der Seine über die Schaufeln von zwei Turbinen [...], deren unsgesamt 399 PS täglich 20.000 Kubikmeter Wasser förderten. An der Maschine von Marly kann man die Entwicklung der Pumpwerke von ihren mühseligen Anfängen bis zu ihrem modernsten Stande ablesen.

[Es folgt eine Darstellung anderer, antiker und moderner Pumpwerke.]

Erinnert ihr euch noch an die Stundenleistung bei der Maschine von Marly? Und an die 75 PS, die sie mühselig erzeugte? Aber lacht ihn bitte nicht aus, den alten Riesen an der Seine. Vielleicht ist der Unterschied zwischen den Atomkraftwerken der Zukunft [!] und unseren heutigen Kraftwerken genausogroß. Aber wir können auf unsere Leistungen doch schon recht stolz sein, genauso wie er vermutlich auch Rennequin Sualem war.

Quellen

Vorgestellt in folgendem Mosaikheft

55