Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde
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- | In der [[Amerika-Serie]] des [[Mosaik von Hannes Hegen]] reisen die [[Digedags]] und ihre Begleiter mit der [[Panamabahn]] von [[Panama City]] nach [[Aspinwall]]. Nach einem Überfall auf halber Strecke müssen sie mit dem Gepäckwagen ohne Lokomotive weiterfahren. [[Pedro, der stärkste Mann der Welt]], schiebt den Wagen an und springt auf. Als sich der Wagen auf abschüssiger Strecke dem Ziel nähert, versucht er vergeblich, ihn mit Hilfe der Bremskurbel anzuhalten. Die Stelle wird mit den Worten "Unterdessen drehte Pedro mit gewaltiger Hand an der Bremskurbel" beschrieben. Das erinnert an eine Stelle im Küchenlied: "Der Schaffner | + | In der [[Amerika-Serie]] des [[Mosaik von Hannes Hegen]] reisen die [[Digedags]] und ihre Begleiter mit der [[Panamabahn]] von [[Panama City]] nach [[Aspinwall]]. Nach einem Überfall auf halber Strecke müssen sie mit dem Gepäckwagen ohne Lokomotive weiterfahren. [[Pedro, der stärkste Mann der Welt]], schiebt den Wagen an und springt auf. Als sich der Wagen auf abschüssiger Strecke dem Ziel nähert, versucht er vergeblich, ihn mit Hilfe der Bremskurbel anzuhalten. Die Stelle wird mit den Worten "Unterdessen drehte Pedro mit gewaltiger Hand an der Bremskurbel" beschrieben. Das erinnert an eine Stelle im Küchenlied: "Der Schaffner hat es wohl gesehen, / er bremste mit gewalt'ger Hand." (siehe unten). |
- | In der [[Reformations-Serie]] des [[Mosaik ab 1976]] verkündet ein [[kaiserlicher Bote in Wittenberg]] den Tod [[Kaiser Maximilian I.|Kaiser Maximilians I]]. Er beginnt mit den Worten "Ihr Bürger, hört die Schreckenskunde, die sich zutrug an fernem Ort!" Das ist eine Anspielung auf die ersten Zeilen des Küchenlieds: "Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde, / die sich zutrug in | + | In der [[Reformations-Serie]] des [[Mosaik ab 1976]] verkündet ein [[kaiserlicher Bote in Wittenberg]] den Tod [[Kaiser Maximilian I.|Kaiser Maximilians I]]. Er beginnt mit den Worten "Ihr Bürger, hört die Schreckenskunde, die sich zutrug an fernem Ort!" Das ist eine Anspielung auf die ersten Zeilen des Küchenlieds: "Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde, / die sich zutrug in unsrer Stadt" (siehe unten). |
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+ | Im Fanfiction-Roman ''[[Die goldene Rübe]]'' dichtet [[Ritter Runkel]] auf der Reise nach [[Trapezunt]] zu einer "alten Weise" ein kleines Liedchen: | ||
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+ | Das klingt doch sehr nach der Strophe aus dem Schreckenskunde-Lied, in der die gefallene Jungfer von A nach B geht und bei C ihr Haupt auf Schienen legt, bis der Zug aus D kommt. | ||
== Texte == | == Texte == | ||
=== Geschichte des Liedes === | === Geschichte des Liedes === | ||
- | Das Lied ist seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts belegt, geht aber auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Melodie ist die | + | Das Lied ist seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts belegt, geht aber auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Melodie ist die der Schnulze ''Seht ihr drei Rosse vor dem Wagen'' (die wiederum auf das russische Volkslied Вот мчится тройка почтовая ''Vot mtschitsja trojka potschtovaja'' = "Da saust die Post-Troika" zurückgeht). Als Autorin gilt die Heimatdichterin und Märchenerzählerin Therese Schlegel, geborene Kodritsch (1830-1918), aus Auerstedt (berühmt durch die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt 1806, heute ein Ortsteil von Bad Sulza zwischen Naumburg und Weimar). Das geschilderte Drama soll auf eine wahre Begebenheit zurückgehen; der ''terminus post quem'' hierfür ist der 19. Dezember 1846, als die Eisenbahnstrecke zwischen Naumburg und Weimar eröffnet wurde. Dem Volkskundler und Musikhistoriker Max Adler zufolge, der sich 1901 auf die Recherchen eines Direktors von Schulpforta und eines Zeitungsredakteurs aus Naumburg stützte, die wiederum Zeitzeugen befragt haben sollen, trug sich das Ereignis etwa 1869 zu, und die Selbstmörderin war eine Marie S. aus Bergsulza. Dem Heimathistoriker Benno Liebers zufolge, der sich 1935 auf eine Schwester Therese Schlegels namens Wilhelmine Losche (1843 - nach 1928) berufen kann, trug es sich hingegen in den 1850er Jahren zu, und die Selbstmörderin war die gefeierte Dorfschönheit Karoline Hinkel aus Auerstedt (oder Bergsulza). |
- | Wie auch immer, das Lied verbreitete sich recht zügig im gesamten deutschen Sprachraum, wobei der Wortlaut und die Strophenzahl ständigem Wandel unterworfen waren - so wurde z.B. das wenig bekannte Kösen gerne zu Bremen "korrigiert", worauf Naumburg in Hamburg geändert wurde. Joachim Ringelnatz wiederum schildert in seinen Erinnerungen ''Mein Leben bis zum Kriege'', dass eines der Kindermädchen seiner Familie namens Anna das Lied um 1890 herum sang, wobei die Handlung diesmal in Breslau spielt - was wohl darauf hindeutet, | + | Wie auch immer, das Lied verbreitete sich recht zügig im gesamten deutschen Sprachraum, wobei der Wortlaut und die Strophenzahl ständigem Wandel unterworfen waren - so wurde z.B. das wenig bekannte Kösen gerne zu Bremen "korrigiert", worauf Naumburg in Hamburg geändert wurde. Joachim Ringelnatz wiederum schildert in seinen Erinnerungen ''Mein Leben bis zum Kriege'', dass eines der Kindermädchen seiner Familie namens Anna das Lied um 1890 herum sang, wobei die Handlung diesmal in Breslau spielt - was wohl darauf hindeutet, dass das Mädchen aus Schlesien stammte (Ringelnatz überliefert den ergreifenden Refrain "Ich will mein Haupt auf Schienen legen, Dieweil der Zug von Breslau kam" und bestätigt die Melodie nach ''Seht ihr drei Rosse vor dem Wagen''). Auch im NS-Propagandafilm für den "Freiwilligen Arbeitsdienst" ''Ich für dich - du für mich'' aus dem Jahre 1934 ist das Lied zu hören. |
=== Frühe Fassungen === | === Frühe Fassungen === | ||
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Die Schaffner hatten's längst gesehen, | Die Schaffner hatten's längst gesehen, | ||
sie bremsten ein es mit Gewalt. | sie bremsten ein es mit Gewalt. | ||
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ihr Haupt rollt blutend in den Sand. | ihr Haupt rollt blutend in den Sand. | ||
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- | + | Es folgen zwei spätere Fassungen des Liedes, zunächst die fragmentarische aus dem Film ''Ich für dich - du für mich'' von 1934. Hier wird das Lied in einem Lager des "Freiwilligen Arbeitsdienstes" von einer bedrückten jungen Frau namens Alma gesungen - es geht in der Szene (wie im ganzen Film) darum, ob die lange Abwesenheit von zu Hause Auswirkungen auf die Beziehungen der Frauen zu ihren Männern hat. Alma lässt die Prolog-Strophe weg sowie die Strophe, in der der eigentliche Selbstmord geschildert wird. Auch die letzte Strophe kriegt sie vor Schluchzen nicht mehr vollständig über die Lippen. | |
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+ | Danach kommt - als Referenztext fürs MOSAIK und die Fanfiction - die Variante der Gruppe ''Hackstock'' von der Schallplatte ''Wenn die Blümlein draußen zittern'' von 1979, die fünf Jahre später wortgetreu im Notenbüchlein ''In des Nachbarn Gartenlaube'' abgedruckt wurde. Hier fehlt - wie bei allen Fassungen außer der zuerst belegten - die Strophe über das Händeringen sowie die Epilog-Strophe mit der Moral von der Geschicht', dafür gibt es eine neue Strophe mittendrin über drei Studenten. | ||
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+ | Beide Fassungen kommen ansonsten der Erstversion aus dem Saaletal sehr nahe. Freilich ist aus Kösen nunmehr Bad Kösen geworden, denn das Städtchen ist mittlerweile Kurort (offiziell wurde die Namenserweiterung erst am 6. November 1935 eingeführt, war aber umgangssprachlich schon viel länger in Gebrauch; so hieß auch der Bahnhof schon seit 1907 "Station Bad Kösen"). | ||
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+ | Sie hat in ihrem Herz beschlossen, | ||
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Die Eltern hatten's auch erfahren, | Die Eltern hatten's auch erfahren, | ||
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Der Vater riß sie bei den Haaren, | Der Vater riß sie bei den Haaren, | ||
sie sollt' und mußt' verstoßen sein. | sie sollt' und mußt' verstoßen sein. | ||
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+ | '''Sie ging von Sulza bis Bad Kösen,''' | ||
+ | '''und bei Schulpforta an der Bahn''' | ||
+ | '''tat sie ihr Haupt auf Schienen legen,''' | ||
+ | '''bis daß der Zug von Naumburg kam.''' | ||
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+ | Der Schaffner hat es wohl gesehen, | ||
+ | '''er bremste mit gewalt'ger Hand.''' | ||
+ | Jedoch der Zug kam nicht zum Stehen - | ||
+ | ihr junges Blut floß in den Sand. | ||
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+ | 6. | ||
+ | Dem Zug entstiegen drei Studenten, | ||
+ | der eine bleich von Angesicht. | ||
+ | Und als er dann die Leich erblickte, | ||
+ | da sprach er: Nein, das wollt' ich nicht! | ||
7. | 7. | ||
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Sie taten sie so schön begraben, | Sie taten sie so schön begraben, | ||
weil sie's aus Liebe hat getan. | weil sie's aus Liebe hat getan. | ||
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- | *[https://archive.org/details/zeitschriftfrv11verbuoft ''Zeitschrift des Vereins für Volkskunde'', 11. Jahrgang 1901], darin auf den S. 459-461 folgende Miszelle von [https://archive.org/stream/zeitschriftfrv11verbuoft#page/n479/mode/2up | + | *[https://archive.org/details/zeitschriftfrv11verbuoft ''Zeitschrift des Vereins für Volkskunde'', 11. Jahrgang 1901], darin auf den S. 459-461 folgende Miszelle von [https://archive.org/stream/zeitschriftfrv11verbuoft#page/n479/mode/2up Max Adler: ''Zwei Volkslieder aus dem Geiselthal bei Merseburg''] |
*[https://archive.org/stream/volksliederausd00mincgoog#page/n7/mode/2up M. Elizabeth Marriage: ''Volkslieder aus der Badischen Pfalz''], [[Halle]] 1902, darin speziell die S. 75-77 mit dem [https://archive.org/stream/volksliederausd00mincgoog#page/n97/mode/2up Lied Nr. 40 ''Der Zug von Hamburg''] | *[https://archive.org/stream/volksliederausd00mincgoog#page/n7/mode/2up M. Elizabeth Marriage: ''Volkslieder aus der Badischen Pfalz''], [[Halle]] 1902, darin speziell die S. 75-77 mit dem [https://archive.org/stream/volksliederausd00mincgoog#page/n97/mode/2up Lied Nr. 40 ''Der Zug von Hamburg''] | ||
*[http://quod.lib.umich.edu/g/genpub/acd0698.0012.006/1?rgn=full+text;view=image ''Zeitschrift für österreichische Volkskunde'', 12. Jahrgang 1906, Heft VI], darin auf den S. 215-217 die Miszelle von [http://quod.lib.umich.edu/g/genpub/acd0698.0012.006/33?rgn=full+text;view=image Gustav Jungbauer: ''Das Volkslied vom Eisenbahnunglück''] | *[http://quod.lib.umich.edu/g/genpub/acd0698.0012.006/1?rgn=full+text;view=image ''Zeitschrift für österreichische Volkskunde'', 12. Jahrgang 1906, Heft VI], darin auf den S. 215-217 die Miszelle von [http://quod.lib.umich.edu/g/genpub/acd0698.0012.006/33?rgn=full+text;view=image Gustav Jungbauer: ''Das Volkslied vom Eisenbahnunglück''] | ||
*Werner Meister: ''Das Auerstedter Jungfern-Lied'' = ''Auerstedter Heimatblätter'', Heft 17, 2002. | *Werner Meister: ''Das Auerstedter Jungfern-Lied'' = ''Auerstedter Heimatblätter'', Heft 17, 2002. | ||
*Werner Meister: ''Therese Schlegel - Dichterin und Märchenerzählerin'' = ''Auerstedter Heimatblätter'', Heft 18, 2002. | *Werner Meister: ''Therese Schlegel - Dichterin und Märchenerzählerin'' = ''Auerstedter Heimatblätter'', Heft 18, 2002. | ||
- | *[https://www.youtube.com/watch?v= | + | *[https://www.youtube.com/watch?v=kWMrh1fNT5M Schallplatte ''Wenn die Blümlein draußen zittern''] (AMIGA 1979), insbesondere das Lied der Gruppe [https://youtu.be/kWMrh1fNT5M?t=132 Hackstock: ''Tod aus Verzweiflung''] auf ''youtube'' |
- | *[https:// | + | *[https://www.google.de/books/edition/Ringelnatz_Die_sch%C3%B6nsten_Gedichte_Mein/lll3DwAAQBAJ?hl=de&gbpv=1&dq=seht+ihr+drei+rosse+vor+dem+wagen+ringelnatz&pg=PT59&printsec=frontcover Joachim Ringelnatz: ''Mein Leben bis zum Kriege''] |
- | *Zitat aus [ | + | *Zitat aus [https://www.muvs.org/de/themen/literatur-zitate/baenkelsaengermoritaten-verstossen-oder-der-tod-auf-den-schienen-ca-1840/ Marita Metz-Becker: ''Der verwaltete Körper'', Frankfurt/New York 1997, S. 256-257] via Homepage des [https://www.muvs.org/de/ Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch] in [[Wien]] |
+ | *[https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Halle%E2%80%93Bebra Wikipedia-Artikel zur Thüringer Stammbahn] | ||
+ | *''In des Nachbarn Gartenlaube. Lieder von Liebe und Leid mit Winken für Heim und Herd sowie Original-Künstler-Bildnissen von schurkischen Freiern und arglosen Mamsells'', Berlin 1984. | ||
+ | *[http://cyclowiki.org/wiki/%D0%92%D0%BE%D1%82_%D0%BC%D1%87%D0%B8%D1%82%D1%81%D1%8F_%D1%82%D1%80%D0%BE%D0%B9%D0%BA%D0%B0_%D0%BF%D0%BE%D1%87%D1%82%D0%BE%D0%B2%D0%B0%D1%8F_(%D0%BF%D0%B5%D1%81%D0%BD%D1%8F) Hintergründe und diverse Fassungen von Вот мчится тройка почтовая] (russisch) | ||
+ | *[https://badkoesen.info/geschichte-bad-koesen-1869-1945/ Geschichte von Bad Kösen 1868-1945] | ||
- | == Auf ''Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde'' wird in folgenden | + | == Auf ''Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde'' wird in folgenden Publikationen angespielt == |
[[Mosaik von Hannes Hegen]]: [[Schußfahrt zum Atlantik|202]] | [[Mosaik von Hannes Hegen]]: [[Schußfahrt zum Atlantik|202]] | ||
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Aktuelle Version vom 21:44, 28. Jul. 2024
Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde ist ein deutsches Volks- oder Küchenlied. Es ist auch unter den Titeln Auerstedter Jungfernlied, Tod aus Verzweiflung, Verstoßen, Tod auf den Schienen, Sie war ein Mädchen von achtzehn Jahren, Der Zug von Hamburg und Das Lied vom Eisenbahnunglück bekannt. Es wurde mindestens einmal, eventuell auch zweimal fürs MOSAIK verwendet, zudem einmal in einem Fanfiction-Roman.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Anspielungen im MOSAIK
In der Amerika-Serie des Mosaik von Hannes Hegen reisen die Digedags und ihre Begleiter mit der Panamabahn von Panama City nach Aspinwall. Nach einem Überfall auf halber Strecke müssen sie mit dem Gepäckwagen ohne Lokomotive weiterfahren. Pedro, der stärkste Mann der Welt, schiebt den Wagen an und springt auf. Als sich der Wagen auf abschüssiger Strecke dem Ziel nähert, versucht er vergeblich, ihn mit Hilfe der Bremskurbel anzuhalten. Die Stelle wird mit den Worten "Unterdessen drehte Pedro mit gewaltiger Hand an der Bremskurbel" beschrieben. Das erinnert an eine Stelle im Küchenlied: "Der Schaffner hat es wohl gesehen, / er bremste mit gewalt'ger Hand." (siehe unten).
In der Reformations-Serie des Mosaik ab 1976 verkündet ein kaiserlicher Bote in Wittenberg den Tod Kaiser Maximilians I. Er beginnt mit den Worten "Ihr Bürger, hört die Schreckenskunde, die sich zutrug an fernem Ort!" Das ist eine Anspielung auf die ersten Zeilen des Küchenlieds: "Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde, / die sich zutrug in unsrer Stadt" (siehe unten).
[Bearbeiten] Anspielung im Roman
Im Fanfiction-Roman Die goldene Rübe dichtet Ritter Runkel auf der Reise nach Trapezunt zu einer "alten Weise" ein kleines Liedchen:
Das klingt doch sehr nach der Strophe aus dem Schreckenskunde-Lied, in der die gefallene Jungfer von A nach B geht und bei C ihr Haupt auf Schienen legt, bis der Zug aus D kommt.
[Bearbeiten] Texte
[Bearbeiten] Geschichte des Liedes
Das Lied ist seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts belegt, geht aber auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Melodie ist die der Schnulze Seht ihr drei Rosse vor dem Wagen (die wiederum auf das russische Volkslied Вот мчится тройка почтовая Vot mtschitsja trojka potschtovaja = "Da saust die Post-Troika" zurückgeht). Als Autorin gilt die Heimatdichterin und Märchenerzählerin Therese Schlegel, geborene Kodritsch (1830-1918), aus Auerstedt (berühmt durch die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt 1806, heute ein Ortsteil von Bad Sulza zwischen Naumburg und Weimar). Das geschilderte Drama soll auf eine wahre Begebenheit zurückgehen; der terminus post quem hierfür ist der 19. Dezember 1846, als die Eisenbahnstrecke zwischen Naumburg und Weimar eröffnet wurde. Dem Volkskundler und Musikhistoriker Max Adler zufolge, der sich 1901 auf die Recherchen eines Direktors von Schulpforta und eines Zeitungsredakteurs aus Naumburg stützte, die wiederum Zeitzeugen befragt haben sollen, trug sich das Ereignis etwa 1869 zu, und die Selbstmörderin war eine Marie S. aus Bergsulza. Dem Heimathistoriker Benno Liebers zufolge, der sich 1935 auf eine Schwester Therese Schlegels namens Wilhelmine Losche (1843 - nach 1928) berufen kann, trug es sich hingegen in den 1850er Jahren zu, und die Selbstmörderin war die gefeierte Dorfschönheit Karoline Hinkel aus Auerstedt (oder Bergsulza).
Wie auch immer, das Lied verbreitete sich recht zügig im gesamten deutschen Sprachraum, wobei der Wortlaut und die Strophenzahl ständigem Wandel unterworfen waren - so wurde z.B. das wenig bekannte Kösen gerne zu Bremen "korrigiert", worauf Naumburg in Hamburg geändert wurde. Joachim Ringelnatz wiederum schildert in seinen Erinnerungen Mein Leben bis zum Kriege, dass eines der Kindermädchen seiner Familie namens Anna das Lied um 1890 herum sang, wobei die Handlung diesmal in Breslau spielt - was wohl darauf hindeutet, dass das Mädchen aus Schlesien stammte (Ringelnatz überliefert den ergreifenden Refrain "Ich will mein Haupt auf Schienen legen, Dieweil der Zug von Breslau kam" und bestätigt die Melodie nach Seht ihr drei Rosse vor dem Wagen). Auch im NS-Propagandafilm für den "Freiwilligen Arbeitsdienst" Ich für dich - du für mich aus dem Jahre 1934 ist das Lied zu hören.
[Bearbeiten] Frühe Fassungen
Im Folgenden werden zunächst diverse frühe Fassungen des Küchenliedes nebeneinander gestellt; die eingeklammerten Strophen dürften sogenannte "Wanderstrophen" sein, die aus anderen Liedern hier eingefügt wurden.
1901 im Saaleland | 1902 in der badischen Pfalz | 1906 im Böhmerwald | ||||
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Zütschdorf | Handschuhsheim | Kirchardt | Deutschhaidl | |||
1. |
1. |
1. |
1. |
[Bearbeiten] Spätere Fassungen
Es folgen zwei spätere Fassungen des Liedes, zunächst die fragmentarische aus dem Film Ich für dich - du für mich von 1934. Hier wird das Lied in einem Lager des "Freiwilligen Arbeitsdienstes" von einer bedrückten jungen Frau namens Alma gesungen - es geht in der Szene (wie im ganzen Film) darum, ob die lange Abwesenheit von zu Hause Auswirkungen auf die Beziehungen der Frauen zu ihren Männern hat. Alma lässt die Prolog-Strophe weg sowie die Strophe, in der der eigentliche Selbstmord geschildert wird. Auch die letzte Strophe kriegt sie vor Schluchzen nicht mehr vollständig über die Lippen.
Danach kommt - als Referenztext fürs MOSAIK und die Fanfiction - die Variante der Gruppe Hackstock von der Schallplatte Wenn die Blümlein draußen zittern von 1979, die fünf Jahre später wortgetreu im Notenbüchlein In des Nachbarn Gartenlaube abgedruckt wurde. Hier fehlt - wie bei allen Fassungen außer der zuerst belegten - die Strophe über das Händeringen sowie die Epilog-Strophe mit der Moral von der Geschicht', dafür gibt es eine neue Strophe mittendrin über drei Studenten.
Beide Fassungen kommen ansonsten der Erstversion aus dem Saaletal sehr nahe. Freilich ist aus Kösen nunmehr Bad Kösen geworden, denn das Städtchen ist mittlerweile Kurort (offiziell wurde die Namenserweiterung erst am 6. November 1935 eingeführt, war aber umgangssprachlich schon viel länger in Gebrauch; so hieß auch der Bahnhof schon seit 1907 "Station Bad Kösen").
Drittes Reich | DDR | |
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Ich für dich - du für mich (1934) | Hackstock (1979) / In des Nachbarn Gartenlaube (1984) | |
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1. |
[Bearbeiten] Quellen
- Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 11. Jahrgang 1901, darin auf den S. 459-461 folgende Miszelle von Max Adler: Zwei Volkslieder aus dem Geiselthal bei Merseburg
- M. Elizabeth Marriage: Volkslieder aus der Badischen Pfalz, Halle 1902, darin speziell die S. 75-77 mit dem Lied Nr. 40 Der Zug von Hamburg
- Zeitschrift für österreichische Volkskunde, 12. Jahrgang 1906, Heft VI, darin auf den S. 215-217 die Miszelle von Gustav Jungbauer: Das Volkslied vom Eisenbahnunglück
- Werner Meister: Das Auerstedter Jungfern-Lied = Auerstedter Heimatblätter, Heft 17, 2002.
- Werner Meister: Therese Schlegel - Dichterin und Märchenerzählerin = Auerstedter Heimatblätter, Heft 18, 2002.
- Schallplatte Wenn die Blümlein draußen zittern (AMIGA 1979), insbesondere das Lied der Gruppe Hackstock: Tod aus Verzweiflung auf youtube
- Joachim Ringelnatz: Mein Leben bis zum Kriege
- Zitat aus Marita Metz-Becker: Der verwaltete Körper, Frankfurt/New York 1997, S. 256-257 via Homepage des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien
- Wikipedia-Artikel zur Thüringer Stammbahn
- In des Nachbarn Gartenlaube. Lieder von Liebe und Leid mit Winken für Heim und Herd sowie Original-Künstler-Bildnissen von schurkischen Freiern und arglosen Mamsells, Berlin 1984.
- Hintergründe und diverse Fassungen von Вот мчится тройка почтовая (russisch)
- Geschichte von Bad Kösen 1868-1945
[Bearbeiten] Auf Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde wird in folgenden Publikationen angespielt
Mosaik von Hannes Hegen: 202 Mosaik ab 1976: 497 Fanfiction: Die goldene Rübe