Schiffsrennen auf dem Mississippi

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Version vom 00:52, 11. Jan. 2008

Inhaltsverzeichnis

Das Schiffsrennen auf dem Mississippi

Die Kontrahenten vor dem Start

Der Anlass des Rennens

Während des Mardi Gras 1860 in New Orleans findet auf dem Dampfer Louisiana ein Ball mit allerlei Prominenz statt. Die Digedags als Reporter des New Orleans Magazine sollen auf Geheiß ihres Chefs William Potter darüber berichten und befinden sich an Bord, als die Feierlichkeiten jäh unterbrochen werden - dichter Qualm legt die Vermutung nahe, dass ein Feuer an Bord des Dampfers ausgebrochen ist. Umgehend wird die Feuerwehr alarmiert, die den vermeintlichen Brand vermittels enormer Mengen von Löschwasser zu bekämpfen versucht. Erst der Lotse Turner erkennt die wahre Ursache des Qualms: Neben der Louisiana hat der altersschwache Dampfer Mississippi-Queen von Jonathan Joker festgemacht und pustet seine Abgase direkt in die noble Louisiana. Empört fordert der Kapitän der Louisiana, Samuel Baxter, seinen Kollegen von der Queen auf, anderswo festzumachen. Joker zeigt sich uneinsichtig, liegt er doch schon seit Jahren am selben Platz vor Anker. Im Wortgefecht prahlt Joker, seine Queen könne es mit der Louisiana allemal aufnehmen. Diese Worte bauschen die Digedags in der nächsten Ausgabe ihrer Zeitung zu einer Herausforderung zu einer Wettfahrt auf - sehr zum Ärger aller Beteiligten. Joker selbst weiß, dass er mit seinem altersschwachen Kahn eigentlich keine Chance hat, und auch Baxter hat durch ein Rennen seines noblen, nagelneuen Schiffes gegen ein "altes Museumsstück" wie die Queen nichts zu gewinnen. Doch beide Kapitäne können nicht zurück, da die Nachricht von der Herausforderung Jokers bereits Runde durch ganz New Orleans gemacht hat. So einigt man sich schließlich auf ein Rennen auf dem Mississippi zwischen New Orleans und Baton Rouge. Die Siegprämie beträgt 10 000 Dollar.

Die Kontrahenten

Jonathan Joker mit seiner Mississippi-Queen gegen Samuel Baxter mit seiner Louisiana. An Bord der Queen sind neben dem Kapitän dessen Ehefrau Jessy, sein Vater Old Joe, sein Sohn Tom und Heizer Sam. Ebenfalls an Bord befinden sich die Digedags, die eine ausführliche Reportage über das Rennen schreiben wollen.

An Bord der Louisiana befinden sich neben Baxter und Lotse Turner auch die Tante des Kapitäns, Victoria Jefferson, und Colonel Springfield, sowie eine ganze Menge Personal.

Klarer Favorit mit 100:1 bei den Buchmachern ist Baxter mit der Louisiana. Doch Joker hat durchaus Außenseiterchancen, gilt er doch als bester Lotse auf dem Mississippi.

Der Rennverlauf

Der Start geht eindeutig an die Mississippi-Queen. Erst mit geraumer Verspätung beginnt die Louisiana das Rennen, da Colonel Springfield vorher unbedingt die Haustiere von Mrs. Jefferson an Bord holen musste. Dennoch gelingt es der Louisiana im Laufe des Tages beinahe mühelos, den Rückstand wettzumachen. Joker riskiert allerhand, um die Nase vorn zu behalten: Er steuert seine Queen in Ufernähe, wo die entgegenkommende Strömung schwächer ist. Als Tribut bezahlt die Queen das Manöver mit einem ihrer beiden Schornsteine, der von einem überhängenden Ast abgerissen wird. Das nächste Manöver kostet auch den zweiten Schornstein: Joker wählt einen Seitenarm des Mississippi als Fahrtlinie aus, da er über diesen eine Schleife im Flussverlauf abkürzen kann. Beim Überqueren einer Sandbank passiert das angesprochene Malheur. Kam die Queen eben noch über die Sandbank hinweg, strandet genau dort die verfolgende Louisiana, da diese einen weitaus größeren Tiefgang besitzt. Das Schiff sitzt fest; das Rennen scheint gelaufen. Doch Baxter gibt nicht auf. Den Ratschlag seines Lotsen Turner befolgend, räumt man über Nacht das komplette Schiff leer. Jeglicher Ballast wird über Bord geworfen, sämtliche Einrichtungsgegenstände werden den Fluten des Mississippi übereignet. Mit Erfolg: Die Louisiana schafft es, sich von der Sandbank freizuschaufeln, und nimmt die Verfolgung der Queen wieder auf.

Dort hat man es in sicherer Gewissheit des Sieges ruhiger angehen lassen. Als man am nächsten Tag wenige Meilen vor dem Ziel in Baton Rouge die Louisiana hinter sich auftauchen sieht, muss aus der altersschwachen Maschine auch das Letzte herausgeholt werden.
Foto-Finish
Sogar Großvater Joes Schaukelstuhl wird verheizt. Mit zischenden Ventilen und einem Druck, der den Kessel fast zum Platzen bringt, biegt man als erster auf die Zielgerade ein. Da passiert das, womit vor allem der Heizer Sam schon vor dem Rennen rechnete: Die Belastung für die Maschine ist zu hoch, so dass der Kessel explodiert und das halbe Schiff zerstört. Die austrudelnde Queen wird nur Meter vor dem Zielband von der Louisiana eingeholt. Da hat Großvater Joe, dem bei einem Sieg ein neuer Schaukelstuhl versprochen worden war, die rettende Idee: Mit einem Bootshaken stellt er sich ganz vorn an den Bug und zerschneidet damit nur Zentimeter vor der vorbeirauschenden Louisiana das Zielband. Die Mississippi-Queen hat das Rennen gewonnen.

Jonathan Joker kassiert die Siegprämie, von der er seine Queen wieder herrichten lässt. Der Louisiana aber, völlig ihres Inventars beraubt, bleiben nach dieser blamablen Niederlage die Passagiere weg. Das Schiff ist ruiniert.

Schiffsrennen in der Realität

Schiffsrennen auf dem Mississippi sind keine Erfindung der Mosaikmacher. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wetteiferten die Dampfschifffahrtsbetreiber darum, wer das schnellste Schiff sein Eigen nennen konnte. Wer eine Strecke am schnellsten zurücklegte, der konnte darauf hoffen, dass man seinem Schiff den Vorrang vor anderen Schiffen geben würde, wenn es darum ging, Passagiere und Waren von einem Ort zum anderen per Schiff zu befördern. Hatten, was nicht selten vorkam, zwei Betreiber ähnlich schnelle Schiffe, dann maßen sie nicht selten ihre Kräfte in einem Wettkampf, das heißt, man veranstaltete ein Rennen, aus dem der als Sieger hervorging, der einen bestimmten Zielort am schnellsten erreichte. Das Procedere solcher Schiffrennen wird sehr gut von Mark Twain in seinem autobiografischen Roman "Leben auf dem Mississippi" beschrieben, der als eine wesentliche Quelle für das Kapitel - Das Schiffsrennen der Amerika-Serie im Mosaik von Hannes Hegen betrachtet werden kann.

Folgt man den Angaben Twains, dann war ein solches Schiffsrennen ein außergewöhnliches Ereignis, das schon Wochen vor dem datumsmäßig genau festgelegten Startschuss publikumswirksam beworben wurde. Die Mannschaften der Schiffe taten alles, damit ihr Schiff den Sieg davon trug. Sie waren stolz darauf, auf einem solchen Schiff mitfahren zu dürfen, und arbeiteten aufmerksamer und ausdauernder als sonst. Sie sorgten dafür, dass alles an Bord in Schuss war und nicht der kleinste Makel im Antrieb ihrem Schiff den Sieg kosten konnte. Als nächstes wurden die Schiffe von allem unnötigen Ballast befreit, so dass alles, was dem Wind und dem Wasser Widerstand bot und nicht unbedingt notwendig war, vorher entfernt wurde. Selbst Spieren wurden abmontiert und Taue von Bord gebracht, mit denen man aufgelaufene Schiffe wieder flott bekommen konnte. Dazu wurden auch noch all jene Elemente entfernt, die einzig und allein der Zierde galten und keinen praktischen Nutzen boten. Des weiteren wurde peinlichst genau darauf geachtet, dass die Schiffe ganz genau ausgelastet wurden, so dass sie überall durchgehend den gleichen Tiefgang hatten, mit dem die Schiffe ihre optimale Leistung erbrachten.

Das Mitfahren von Passagieren war eine absolute Ausnahme, da sie nicht nur unnötigen Ballast darstellten, sondern durch ihre unkontrollierbaren Bewegungen an Bord das Schiff auch aus dem „Trimm“ bringen konnten, das heißt, sie konnten schnell das gut austarierte Gleichgewicht durcheinander bringen, wenn sie stets von einer Seite auf die andere rannten. Statt dessen wurde aber oftmals die Mannschaft verdoppelt, damit alle anfallenden Arbeiten doppelt so schnell erledigt werden konnten.

Der Start des Rennens erfolgte dann stets unter dem Jubel unzähliger Zuschauer, für die ein solches Ereignis einem Volksfest gleichkam. Ab dem Start waren die Schiffe auf sich allein angewiesen. Meist verloren sie sich dabei kaum aus den Augen, da ihre Leistungen nicht selten gleich stark waren. Ihr Sieg hing also im Wesentlichen von ihrer Vorausplanung (wo muss wie oft und wie lange gehalten werden, um neues Brennholz zu laden) und dem Geschick des angeheuerten Lotsen ab. Aber auch die Maschinisten leisteten ihren Teil, indem sie die Maschinen genau so auslasteten, dass sie ihre optimale Leistung erbrachten, ohne dass sie ihnen dabei um die Ohren flogen. Es wurde später sogar ein Gesetz erlassen, das jedem Schiff genau vorschrieb, wie viel Dampfdruck es mit seiner Maschine auf einen Quadratzoll ausüben durfte.

Von Mark Twain werden zahlreiche Beispiele dafür genannt, wie schnell ein solches Rennen ablief. Für die im MOSAIK von Hannes Hegen angegebene Strecke von New Orleans nach Baton Rouge nennt er die Rekordfahrt der „Robert E. Lee“, die die Strecke am 30. Juni / 1. Juli 1870 in acht Stunden und fünfundzwanzig Minuten zurücklegte. Dabei handelte es sich um ein Wettrennen mit der „Natchez“, das noch weiter bis nach St. Louis ging.

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