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| :[[Datei:Tawwabun.jpg]] | | :[[Datei:Tawwabun.jpg]] |
| :Mas'udi nimmt aber auch alles, was ihm unter die Finger kommt. Als Historiker wird er nicht als sehr zuverlässig eingeschätzt (ich habe gerade erst eine Sitzung zu islamischer Historiographie gehalten). Das mit den Tawwâbûn kann schon stimmen, aber die geläufige Verwendung der Bezeichnung ''Tawwâbûn'' ist in der Schia für die Flagellanten, die für das Imstichlassen al-Husayn Buße tun. [[Benutzer:Nafi|Nafi]] 09:19, 1. Jun. 2022 (CEST) | | :Mas'udi nimmt aber auch alles, was ihm unter die Finger kommt. Als Historiker wird er nicht als sehr zuverlässig eingeschätzt (ich habe gerade erst eine Sitzung zu islamischer Historiographie gehalten). Das mit den Tawwâbûn kann schon stimmen, aber die geläufige Verwendung der Bezeichnung ''Tawwâbûn'' ist in der Schia für die Flagellanten, die für das Imstichlassen al-Husayn Buße tun. [[Benutzer:Nafi|Nafi]] 09:19, 1. Jun. 2022 (CEST) |
- | | + | :P.S. Tawwâbûn ist übrigens Plural, Büßer; Singular wäre Bulyman dann ein Tawwâb. [[Benutzer:Nafi|Nafi]] 13:53, 1. Jun. 2022 (CEST) |
- | | + | ::Nafi: Hast du eine Ausgabe von Mas'udi, ggf. auf deutsch? In de Goldwiesen gibt es auch eine Meisterdieb-Geschichte. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 10:59, 16. Jul. 2022 (CEST) |
- | | + | :::::Also, wenn Mas'udi zitiert wird, ist es aus den [https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Goldwiesen_und_Edelsteingruben "Goldwiesen und Edelsteinminen"]. Er ist dafür bekannt, alles mögliche Material genommen zu haben, ohne zu quellenkritisch bei der Auswahl zu sein. Da ich nicht annehme, dass Irwin direkt aus dem Arabischen übersetzt, sondern eine schon existente Übersetzung nutzt, würde es sich lohnen bei Gernot Rotters Übersetzungen rein zuschauen (siehe Link). [[Benutzer:Nafi|Nafi]] 16:35, 16. Jul. 2022 (CEST) |
- | == Kerzenkrebse ==
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- | Das mit der Schildkröte mit einer Kerze auf dem Rücken klingt ja genau wie [[Der Meisterdieb]]. Irre. Cooles Wandermotiv. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 15:29, 31. Mai 2022 (CEST)
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- | :[https://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-2375132/The-secret-medieval-Muslim-brotherhood-burglars-expert-toolkit-included-crowbar-bag-sand-dried-beans-A-TORTOISE.html Banu Sasan] nennt sich diese Diebesgruppe mit den beherzzten & bekerzten Schildkröten. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 22:37, 31. Mai 2022 (CEST)
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- | :[https://www.smithsonianmag.com/history/islams-medieval-underworld-15821520/ mehr dazu.] Es handelt sich um Forschung von Bosworth (der aus der Fußnote, Bhur). [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 22:40, 31. Mai 2022 (CEST)
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- | :[https://www.iranicaonline.org/articles/banu-sasan-a-name-frequently-applied-in-medieval-islam-to-beggars-rogues-charlatans-and-tricksters-of-all-kinds-alleg Artikel von Bosworth in der EI] - [https://www.medievalists.net/2022/03/song-banu-sasan/ Abu Dulaf, eine Primärquelle] - [https://www.academia.edu/23389774/The_Banu_Sassan noch was] [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 22:49, 31. Mai 2022 (CEST)
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- | :Hauptquelle für die Kerzenkröten als Diebestaktik scheint Jaubari im 13. Jhd zu sein. Der hat aber wohl auch nur kompiliert, was er so alles über Diebe gelesen hat. Weiß Gott, wo das mit den Kerzen herstammt. Ich halte das jedenfalls für ein Märchenmotiv, das einmal hier im Orient aufpoppt und einmal in Grimms Märchen; das hängt sicher irgendwie zusammen, aber wer weiß wie. Und dann taucht das Motiv natürlich abgewandelt und wohl vom Grimmschen Märchen stammend bei [[Huckepuck]] im Mosaik auf. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 23:17, 31. Mai 2022 (CEST)
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- | :Hier mal ein Beispiel für das Motiv bei einem [http://www.zeno.org/M%C3%A4rchen/M/Albanien/J.U.+Jarn%C3%ADk%3A+Albanesische+M%C3%A4rchen+und+Schw%C3%A4nke/Paschal+Fetagadz albanischen Märchen] über einen Zigeuner-Oberpriester. Die Banu Sasan oben klingen ja auch sehr nach typischem Fahrenden Volk. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 00:12, 1. Jun. 2022 (CEST)
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- | :::Das Meisterdieb-Märchen gibt es auch bei Bechstein. Sowohl Grimm als auch Bechstein haben es von einem thüringischen Mundartsammler, Georg Friedrich Stertzing. Dort ist die Sache mit den Kerzenkrebsen drin. Interessant: Eine sehr ähnliche frühere Form ist ein [http://www.maerchenatlas.de/aus-aller-welt/italienische-marchen/meisterdieb-cassandrino-straparola/ italienisches Märchen] von Gianfrancesco Straparola aus dem 16. Jhd. über den Trickster Cassandrino. Praktisch haargenau dieselbe Geschichte ....... aber ohne Kerzenkrebse! Die müssen irgendwann von woanders in das Märchen gelangt sein, das Stertzing niederschrieb. Ganz so überraschend ist das nicht, denn das Motiv fehlt ja auch bie der Urform des Meisterdiebs bei Herodot ([[Rhampsinit und der Meisterdieb]]). Ob es ein Wandermotiv speziell aus der Zigeunerüberlieferung ist? Das wegen des ähnlichen Sujets irgendwann in das Meisterdiebmärchen eingearbeitet wurde? Ich bleibe dran! [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 00:37, 1. Jun. 2022 (CEST) | + | |
- | :::Hier noch eine Meisterdiebvariante aus Norwegen[https://www.projekt-gutenberg.org/asbjoern/maerch2/chap004.html]. Die Übertölpelung des Pfarrers ist auch hier dabei, dem vorgegaukelt wird, er komme in den Himmel, wenn er in den Sack steigt. Aber auch hier: keine Kerzenkrebse. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 00:56, 1. Jun. 2022 (CEST) | + | |
- | :::Hier noch die Vorlage für Grimm und Bechstein, das thüringische Märchen: [https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k92461m/f292.item]. Die Stelle mit den Kerzenkrebsen ab S. 297. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 01:07, 1. Jun. 2022 (CEST)
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- | ::::[https://scifi.stackexchange.com/questions/241423/fairy-tale-where-the-protagonist-uses-candles-stuck-to-the-back-of-crabs-to-conv] zeigt, daß das Grimm-Märchen auch im englischen Sprachraum bekannt ist. Vermutlich kein unabhängiger Beleg für unser Motiv. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 12:23, 1. Jun. 2022 (CEST)
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- | :::::[https://books.google.de/books?id=9VsfDAAAQBAJ&pg=PA123&lpg=PA123&dq=folk+tale+candle+crab&source=bl&ots=zw5JlLDUPZ&sig=ACfU3U2mClf4lvuBSfiejdc9KwyWBCAaPQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjRspz3g4z4AhVnSfEDHbQTCnoQ6AF6BAgoEAM#v=onepage&q=folk%20tale%20candle%20crab&f=false] Das hier ist sehr spannend. Da ist tatsächlich von einem Zigeuenermärchen die Rede, das die Kerzenkrebse enthählt. Ab S. 118. "Die zwei Diebe", ein Zigeunermärchen aus Rumänien, publiziert 1878. Oh Mann! Wir kommen näher. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 12:29, 1. Jun. 2022 (CEST)
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- | :::::Das ist natürlich NACH Grimm erschienen, kann also auch darauf beruhen. Kann aber auch genauso gut ein echt altes Zigeunermärchen sein, das wiederum die Grimm-Stertzing-Variante beeinflußte. Es ist auch insofern spannend, als es wie aus zwei Teilen zusammengepappt erscheint. Erst die ganzen Motive aus Rhampsinit (inkl. abgeschnittenem Kopf und trunkenen Wachen), und erst danach liefert der Dieb dem König mehrere Proben seiner Kunst, darunter die Pfarrer-Kerzenkrebs-Sache. Als ob zwei Märchen mit ähnlichem Sujet (meisterhafter Dieb) zusammengefügt wurden. [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 12:48, 1. Jun. 2022 (CEST)
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- | ::::::Südslawische Variante: [https://archive.org/details/bub_gb_te0BAAAAQAAJ/page/256/mode/2up Vom Burſchen, der ſich auf Zigeunerſtreiche verſtand]. Publiziert 1883. Mit Pfarrer und Kerzenkrebsen:
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- | {{zitat|Der Graf hielt sein Läugnen nur für Verſtocktheit und erſann etwas, um den Pfarrer zu züchtigen. „Der Zigeuner hat mich um den Ring gebracht, er wird auch dies ausführen können,” dachte er ſich, ließ den Zigeuner ſelbſt vor ſich rufen und ſagte zu ihm: „Wenn du den Pfarrer ſplitternackt in meinen Saal ſchaffſt, befommſt du noch tauſend Gulden.“ — Antwortete der Zigeuner: „Soll geſchehen.“ — Der Zigeuner machte ſich gleich auf den Weg zum Fluß, ſieng eine große Menge Krebse, kaufte bei einem Lebzeltner eine Menge Wachslichtel und begab ſich unbemerkt in die Kirche. Dort klebte er auf jeden Krebs ein Kerzlein, zündete es an und ließ den Krebs frei. Die Dunkelheit war ſchon angebrochen und die Krebse ſchlurrten in der Kirche wie Geiſter herum. Vor die Kirchenthüre legte er noch einen großen, langen Sack, ſtellte ſich dann auf den Hochaltar hinauf und wartete der kommenden Dinge. Als der Pfarrer zum Ave Maria Geläute in die Kirche beten kam, ließ ſich der Zigeuner vom Altar herab vernehmen: „Wer in den Himmel kommen will, werfe das irdiſche Gewand ab und krieche in den Sack dort hinein.“ Der Pfarrer hörte dieſe Worte und dachte ſich: „Eine ſo ſchöne Gelegenheit in den Himmel zu kommen, dürfte nicht bald ſich wiederfinden, alſo ſchnell in den Sack hinein.“ — Im Nu war er drinnen; der Zigeuner ſtieg ſchnell von Altar herab und band den Sack feſt zu. Dann lud er ihn auf den Rüden, gieng ins Schloß und ſchleifte den Sack über die Treppe hinauf in den Saal, der ſeitlich beleuchtet war und wo eine Menge hoher Herrſchaften darauf wartete, den Pfarrer in ſeiner ganzen Nacktheit zu ſehen. Der Zigeuner band den Sack auf, der Pfarrer lugte heraus, ſah alles hell erleuchtet, dachte, er ſei wirklich im Himmel angelangt, und kroch ſchleunigſt aus dem Sacke heraus. Die Herren brachen bei ſeinem Anblick in ein ſchallendes Gelächter aus. Sofort erkannte der Pfarrer den Ort, wo er ſich befinde und verkroch ſich unterm Tiſch.}}
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- | [[Benutzer:Tilberg|Tilberg]] 13:27, 1. Jun. 2022 (CEST) | + | |