Altes chinesisches Volkslied

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(Jī rǎng gē)
 
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[[Bild:China Lied.jpg|right|frame|Die Einwohner Shao Pings feiern singend ihren Retter, die Mongolen müssen machtlos zuschauen.]]
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Das '''alte chinesische Volkslied''' wird in der [[Japan-China-Serie]] gesungen.
Das '''alte chinesische Volkslied''' wird in der [[Japan-China-Serie]] gesungen.
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Die Bürger [[Shao Ping]]s stimmen es zu Ehren von [[Li]] an, der von seinem Geld alle Frauen der Stadt aus der [[Mongolen|mongolischen]] Gefangenschaft freigekauft hat. Der subversive Text erregt das Missfallen des Statthalters [[Matscho]], er vermutet einen Aufruhr dahinter. Doch da Li seine [[Matschos Soldaten|Soldaten]] zuvor mit [[Kumys]] besoffen gemacht hat, kann er nicht verhindern, dass das Lied gesungen wird.
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Die Bürger [[Shao Ping]]s stimmen es zu Ehren von [[Li]] an, der von seinem Geld alle Frauen der Stadt aus der [[Mongolen|mongolischen]] Gefangenschaft freigekauft hat. Der subversive Text erregt das Missfallen des Statthalters [[Matscho]], er vermutet einen Aufruhr dahinter. Doch da Li seine [[Matschos Soldaten|Soldaten]] zuvor mit [[Kumys]] [[besoffen]] gemacht hat, kann er nicht verhindern, dass das Lied gesungen wird.
== Text des Liedes ==
== Text des Liedes ==
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== Hintergründe ==
== Hintergründe ==
=== Identifizierung ===
=== Identifizierung ===
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Im [[MOSAIK]] wird in einer Fußnote gleich erklärt, dass es sich um ein altes chinesisches Volkslied handele. Es ist in der Tat sehr beliebt und wird weltweit oft zitiert. Sein Titel lautet 擊壤歌 ''Jī rǎng gē'', zu deutsch etwa "Schlag-die-Erde-Lied", wobei es sich bei 擊壤 ''Jī rǎng'' ("Schlag die Erde") um ein uraltes Spiel handelt, bei dem man einen im Boden steckenden Holzpfosten mit Wurfhölzern aus der Entfernung treffen muss. Buchstäblich die Erde geschlagen wird dabei nicht.
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Im [[MOSAIK]] wird in einer Fußnote gleich erklärt, dass es sich um ein altes chinesisches Volkslied handele. Es ist in der Tat sehr beliebt und wird weltweit oft zitiert. Sein Titel lautet 擊壤歌 ''Jī rǎng gē'', zu deutsch etwa "Schlag-die-Erde-Lied", wobei es sich bei 擊壤 ''Jī rǎng'' ("Schlag die Erde") um ein uraltes Spiel handelt, bei dem man einen im Boden steckenden Pflock mit Wurfhölzern aus der Entfernung treffen muss (vergleichbar dem [https://de.wikipedia.org/wiki/Hufeisen#Hufeisenspiel Hufeisenspiel]). Buchstäblich die Erde geschlagen wird dabei nicht.
Der chinesische Text des ''Jī rǎng gē'' mit Umschrift, Zeichenübertragung und möglichst genauer, aber am MOSAIK orientierter Übersetzung lautet:
Der chinesische Text des ''Jī rǎng gē'' mit Umschrift, Zeichenübertragung und möglichst genauer, aber am MOSAIK orientierter Übersetzung lautet:
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graben - Brunnen - und dann - trinken
graben - Brunnen - und dann - trinken
pflügen - Feld - und dann - essen
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Kaiser - was - Macht - über - mich/uns - ?
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Kaiser - welche - Macht - über - mich/uns - ?/!
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Wenn die Sonne aufgeht, dann erheben wir uns und arbeiten.
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Wenn die Sonne untergeht, dann begeben wir uns zur Ruhe.
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Wenn die Sonne untergeht, dann gehen wir zur Ruhe.
Wir graben Brunnen und trinken dann.
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Wir pflügen Felder und essen dann.
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Dabei ist die letzte Zeile gelegentlich auch etwas anders überliefert (帝 力 於 我 何 有 哉), inhaltlich aber identisch. Interessanterweise kann man diese Zeile auch als Aussagesatz lesen, wobei er natürlich seine Subversivität verliert und die schützende Macht des Kaisers lobt, à la "Derart also ist die Macht des Kaisers über mich".
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Dabei ist die letzte Zeile gelegentlich auch etwas anders überliefert (帝 力 於 我 何 有 哉 = dì lì yú wǒ hé yǒu zāi = "Kaiser - Macht - über - mich/uns - welche - haben - ?/!"), inhaltlich aber identisch. Interessanterweise kann man diese Zeile auch als Ausrufesatz lesen, wobei er natürlich seine Subversivität verliert und die schützende Macht des Kaisers lobt, à la "Was hat doch der Kaiser für eine Macht über uns!"
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Auf [http://www.egreenpublication.com/files/example/poem-ji-rang-ge-song.html dieser Website] kann man sich das Lied gesprochen und gesungen anhören.
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=== Direkte Quelle ===
=== Direkte Quelle ===
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Das Lied entnahm [[Walter Hackel]], der damalige Autor des MOSAIK, dem Buch ''[[Kultur im alten China]]'' von Walter Böttger. Diesem Buch zufolge soll das Lied aus einem der ältesten Zeugnisse der chinesischen Literatur stammen, dem ''Schidjing'' (''Shījīng'', ''Schi-King'', "Buch der Lieder"). Dies ist eine - der Legende nach von [[Konfuzius]] redigierte - Liedersammlung, deren älteste Teile auf das 2. Jahrtausend v.u.Z. zurückgehen sollen. Dies ist jedoch ein verbreiteter Irrtum - das Lied ist ''nicht'' im berühmten ''Shījīng'' enthalten, sondern stammt aus einer anderen Liedersammlung.
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Das Lied entnahm [[Walter Hackel]], der damalige Autor des MOSAIK, dem Buch ''[[Kultur im alten China]]'' von Walter Böttger, und zwar einem Abschnitt, in dem es passenderweise um Brunnenbau geht. Böttger zufolge stammt das Lied aus einem der ältesten Zeugnisse der chinesischen Literatur, dem ''Schidjing'' (''Shījīng'', ''Schi-King'', "Buch der Lieder"), einer berühmten, der Legende nach von [[Konfuzius]] redigierten Liedersammlung, deren älteste Teile auf das 2. Jahrtausend v.u.Z. zurückgehen sollen. Das ist jedoch ein verbreiteter Irrtum - das ''Jī rǎng gē'' ist ''nicht'' im ''Shījīng'' enthalten, sondern stammt aus einem anderen Liederbuch.
=== Ursprünge ===
=== Ursprünge ===
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==== Das ''Wahre Buch vom südlichen Blütenland'' ====
Erste Spuren des ''Jī rǎng gē'' findet man im 南華眞經 ''Nánhuá zhēnjīng'', dem ''Wahren Buch vom südlichen Blütenland'' des 莊子  Zhuāngzǐ (Dschuang Dsi) und seiner Nachfolger. Dieses Werk fand seine heutige Textgestalt im 3. Jahrhundert u.Z. durch den Herausgeber 郭象 Guō Xiàng (253-312), soll aber auf deutlich frühere Texte zurückgehen. Im 28. Kapitel 讓王 ''Ràng wáng'' ("Rücktritt von Königen") wird geschildert, wie der legendäre Kaiser 舜 Shùn der chinesischen Frühzeit (angebliche Regierungszeit 2233-2184 v.u.Z.) dem Einsiedler 善卷 Shàn Juǎn die Herrschaft über das Reich anbot. Dieser lehnte jedoch mit folgender Begründung ab:
Erste Spuren des ''Jī rǎng gē'' findet man im 南華眞經 ''Nánhuá zhēnjīng'', dem ''Wahren Buch vom südlichen Blütenland'' des 莊子  Zhuāngzǐ (Dschuang Dsi) und seiner Nachfolger. Dieses Werk fand seine heutige Textgestalt im 3. Jahrhundert u.Z. durch den Herausgeber 郭象 Guō Xiàng (253-312), soll aber auf deutlich frühere Texte zurückgehen. Im 28. Kapitel 讓王 ''Ràng wáng'' ("Rücktritt von Königen") wird geschildert, wie der legendäre Kaiser 舜 Shùn der chinesischen Frühzeit (angebliche Regierungszeit 2233-2184 v.u.Z.) dem Einsiedler 善卷 Shàn Juǎn die Herrschaft über das Reich anbot. Dieser lehnte jedoch mit folgender Begründung ab:
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im Frühling pflüge und säe ich, meine Kraft gleicht der Ackererde;
im Frühling pflüge und säe ich, meine Kraft gleicht der Ackererde;
im Herbst ernte ich, ich höre auf zu arbeiten und esse.
im Herbst ernte ich, ich höre auf zu arbeiten und esse.
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Wenn die Sonne aufgeht, dann erhebe ich mich und arbeite; wenn die Sonne untergeht, dann begebe ich mich zur Ruhe,
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Wenn die Sonne aufgeht, dann erhebe ich mich und arbeite; wenn die Sonne untergeht, dann gehe ich zur Ruhe,
und so genieße ich mein Leben zwischen Himmel und Erde, und mein Geist ist zufrieden.
und so genieße ich mein Leben zwischen Himmel und Erde, und mein Geist ist zufrieden.
Was habe ich denn mit dem Reich zu tun?
Was habe ich denn mit dem Reich zu tun?
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Darauf verschwand der Einsiedler in den Bergen und ward nie mehr gesehen. Einige Passagen - vor allem die Zeilen 6 und 8 - erinnern hierbei schon an das ''Jī rǎng gē''. Die Bezeichnung für die weltliche Macht bzw. die Herrschaft über das Reich in Zeile 8 wird mit dem Konzept 天下 ''Tiānxià'' (wörtlich: "unterm Himmel") ausgedrückt.
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Darauf verschwand der Einsiedler in den Bergen und ward nie mehr gesehen (was aber die heutige Tourismusindustrie nicht daran hindert, in der Nähe der Stadt Yíxīng Shì in der Provinz Jiāngsū eine 善卷洞 Shàn-Juǎn-Höhle zu zeigen). Einige Passagen - vor allem die Zeilen 6 und 8 - erinnern hierbei schon an das ''Jī rǎng gē''. Die Bezeichnung für die weltliche Macht bzw. die Herrschaft über das Reich in Zeile 8 wird mit dem Konzept 天下 ''Tiānxià'' (wörtlich: "unterm Himmel") ausgedrückt.
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Die Kapitel 28ff des ''Nánhuá zhēnjīng'' werden üblicherweise nicht zum ursprünglichen Textkorpus gerechnet, sondern gelten als spätere Zusätze - weshalb sie in der deutschen Übersetzung aus der Hand von Richard Wilhelm auch gar nicht erst enthalten sind. D.h. auch die uns interessierende Passage geht wohl nicht auf Zhuāngzǐ selbst zurück, ist aber sicher vor dem 3. Jhd. u.Z. entstanden, als Guō Xiàng das ''Nánhuá zhēnjīng'' in der uns bekannten Form herausgab.
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==== Die ''Genealogischen Aufzeichnungen zu Kaisern und Königen'' ====
Der gelehrte Arzt 皇甫謐 Huáng​fǔ Mì (215-282 u.Z.) führt das Lied in zweien seiner Werke auf: im 帝王世紀 ''Dìwáng shìjì'', einer Sammlung von genealogischen Aufzeichnungen zu Kaisern und Königen, und im 高士傳 ''Gāoshì zhuàn'' ("Biographien hochstehender Edelmänner"). Zunächst zu ersterem. Das ''Dìwáng shìjì'' ist nicht erhalten, sondern nur über Auszüge und Zitate bei späteren Autoren teilweise rekonstruiert. Für unsere Zwecke interessant ist hierbei eine Stelle, in der die idyllische Zeit unter dem Urkaiser 堯 Yáo (legendäre Regierungszeit 2353–2234 v.u.Z.) geschildert wird - dem direkten Vorgänger des oben erwähnten Kaisers Shùn. Diese lautet den diversen Gewährsmännern zufolge so:
Der gelehrte Arzt 皇甫謐 Huáng​fǔ Mì (215-282 u.Z.) führt das Lied in zweien seiner Werke auf: im 帝王世紀 ''Dìwáng shìjì'', einer Sammlung von genealogischen Aufzeichnungen zu Kaisern und Königen, und im 高士傳 ''Gāoshì zhuàn'' ("Biographien hochstehender Edelmänner"). Zunächst zu ersterem. Das ''Dìwáng shìjì'' ist nicht erhalten, sondern nur über Auszüge und Zitate bei späteren Autoren teilweise rekonstruiert. Für unsere Zwecke interessant ist hierbei eine Stelle, in der die idyllische Zeit unter dem Urkaiser 堯 Yáo (legendäre Regierungszeit 2353–2234 v.u.Z.) geschildert wird - dem direkten Vorgänger des oben erwähnten Kaisers Shùn. Diese lautet den diversen Gewährsmännern zufolge so:
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Die Alten sprachen:  
Die Alten sprachen:  
"Wenn die Sonne aufgeht, dann erheben wir uns und arbeiten,
"Wenn die Sonne aufgeht, dann erheben wir uns und arbeiten,
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wenn die Sonne untergeht, dann begeben wir uns zur Ruhe.  
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wenn die Sonne untergeht, dann gehen wir zur Ruhe.  
Wir graben Brunnen und trinken,  
Wir graben Brunnen und trinken,  
wir pflügen Felder und essen.
wir pflügen Felder und essen.
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Sehr ähnlich, wenn auch etwas kürzer, wird die entsprechende Stelle des ''Dìwáng shìjì'' in der großen Liedersammlung 樂府詩集 ''Yuèfǔ shījí'' ("Musikamts-Lieder") von 郭茂倩 Guō Màoqiàn aus dem 12. Jahrhundert zitiert. Hier sind es 80 oder 90 alte Männer, die das Lied als Begleitung zum ''Jī-rǎng''-Spiel singen. Im ''Yuèfǔ shījí'' wird erstmalig der Titel ''Jī rǎng gē'' für das Lied genannt.
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Sehr ähnlich, wenn auch etwas kürzer, wird die entsprechende Stelle des ''Dìwáng shìjì'' in der großen Liedersammlung 樂府詩集 ''Yuèfǔ shījí'' ("Sammlung von Musikamts-Liedern") von 郭茂倩 Guō Màoqiàn aus dem 12. Jahrhundert zitiert. Hier sind es 80 oder 90 alte Männer, die das Lied als Begleitung zum ''Jī-rǎng''-Spiel singen. Im ''Yuèfǔ shījí'' wird erstmalig der Titel ''Jī rǎng gē'' für das Lied genannt.
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Nun zum anderen Werk von Huáng​fǔ Mì, in dem er unser Lied verarbeitet, dem ''Gāoshì zhuàn''. Hier schreibt er:
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==== Die ''Biographien hochstehender Edelmänner'' ====
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Nun zum anderen Werk von Huáng​fǔ Mì, in dem er unser Lied verarbeitet, dem ''Gāoshì zhuàn''. Hier schreibt er (Kapitel 1, Biographie 6):
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{{Zitat|Rǎngfù lebte zur Zeit des Yao. [...] Rǎngfù war schon über 80 Jahre und spielte das ''Jī-rǎng''-Spiel auf dem Weg. Jemand, der es beobachtete, sprach seufzend [etc.]}}
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{{Zitat|Rǎngfù lebte zur Zeit des Yáo. [...] Rǎngfù war schon über 80 Jahre und spielte das ''Jī-rǎng''-Spiel auf dem Weg. Jemand, der es beobachtete, sprach seufzend [etc.]}}
Statt 50 oder 80 alten Männern ist es hier also ein einzelner, 80 Jahre alter Mann, der auch noch nach dem ''Jī-rǎng''-Spiel benannt ist (壤父 ''Rǎngfù'' bedeutet "Vater Rǎng"). Angesichts der Darstellung bei Zhuāngzǐ (s.o.), der ebenfalls einen einzelnen alten Weisen beschreibt, der eine frühe Form des ''Jī rǎng gē'' von sich gibt, ist es sogar wahrscheinlich, dass diese Fassung im ''Gāoshì zhuàn'' ursprünglicher als jene im ''Dìwáng shìjì'' ist, auch wenn letztere später häufiger zitiert wird. Die Traditionskette wäre dann:
Statt 50 oder 80 alten Männern ist es hier also ein einzelner, 80 Jahre alter Mann, der auch noch nach dem ''Jī-rǎng''-Spiel benannt ist (壤父 ''Rǎngfù'' bedeutet "Vater Rǎng"). Angesichts der Darstellung bei Zhuāngzǐ (s.o.), der ebenfalls einen einzelnen alten Weisen beschreibt, der eine frühe Form des ''Jī rǎng gē'' von sich gibt, ist es sogar wahrscheinlich, dass diese Fassung im ''Gāoshì zhuàn'' ursprünglicher als jene im ''Dìwáng shìjì'' ist, auch wenn letztere später häufiger zitiert wird. Die Traditionskette wäre dann:
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# Zhuāngzǐ im ''Nánhuá zhēnjīng'': Ein einzelner alter Weiser (Shàn Juǎn = "tugendhaftes Buch") rezitiert eine Vorform des ''Jī rǎng gē''.
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# Zhuāngzǐ im ''Nánhuá zhēnjīng'': Ein alter Weiser (Shàn Juǎn = "tugendhaftes Buch") rezitiert eine Vorform des ''Jī rǎng gē'' zur Zeit von Urkaiser Shùn.
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# Huáng​fǔ Mì im ''Gāoshì zhuàn'': Ein über 80 Jahre alter Mann (Rǎngfù = "Vater Rǎng/Erde") singt das ''Jī rǎng gē''.
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# Huáng​fǔ Mì im ''Gāoshì zhuàn'': Ein über 80 Jahre alter Mann (Rǎngfù = "Vater Rǎng/Erde") singt das ''Jī rǎng gē'' zur Zeit von Urkaiser Yáo, dem Vorgänger des Shùn.
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# Huáng​fǔ Mì im ''Dìwáng shìjì'': 50, 80 oder 90 alte Männer singen das ''Jī rǎng gē''.
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# Huáng​fǔ Mì im ''Dìwáng shìjì'': 50, 80 oder 90 alte Männer singen das ''Jī rǎng gē'' zur Zeit von Yáo.
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==== Die ''Musikamts-Lieder'' ====
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Wer auch immer wann und in welcher Anzahl das ''Jī rǎng gē'' gesungen hat - indem es in der oben erwähnten Liedersammlung ''Yuèfǔ shījí'' erschienen ist, fand es von hier aus große Bekanntheit und Verbreitung. Bei diesem Liederbuch handelt es sich um eine Zusammenstellung so genannter "Musikamts-Lieder". Dieses populäre Genre geht auf in der Han-Periode (206 v.u.Z. bis 220 u.Z.) vom kaiserlichen Musikamt gesammelte Volkslieder zurück, wobei die im ''Yuèfǔ shījí'' zusammengestellten Lieder zum größeren Teil erst später entstanden sind. Auch das ''Jī rǎng gē'' dürfte nicht zu den ursprünglichen Musikamts-Liedern zählen, scheint es doch wie oben dargestellt über andere Wege Eingang in die Literatur gefunden zu haben. Sein Stil - die prägnante Kürze der Formulierung, die volkstümliche Aussage, der Rhythmus u.a. - macht es aber diesen Liedern vergleichbar, weshalb Guō Màoqiàn es ja auch in sein ''Yuèfǔ shījí'' aufnahm.
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Wer auch immer in welcher Anzahl das ''Jī rǎng gē'' gesungen hat - indem es in der oben erwähnten Liedersammlung ''Yuèfǔ shījí'' erschienen ist, fand es von hier aus große Bekanntheit und Verbreitung. Bei diesem Liederbuch handelt es sich um eine Zusammenstellung so genannter "Musikamts-Lieder". Dieses populäre Genre geht auf in der Han-Periode (206 v.u.Z. bis 220 u.Z.) vom kaiserlichen Musikamt gesammelte Volkslieder zurück, wobei die im ''Yuèfǔ shījí'' zusammengestellten Lieder zum größeren Teil erst später entstanden sind. Vermutlich über das bekannte Liederbuch 古謠諺 ''Gǔyáoyàn'' ("Alte Balladen und Sprichwörter") von 杜文瀾 Dù Wénlán aus dem Jahre 1861 gelangte das ''Jī rǎng gē'' schließlich in den Westen, wo es z.B. von Ezra Pound und Ernst Jünger aufgegriffen wurde - letzterer kannte es als ''Lied der chinesischen Alten beim Schlagholzspiel''.
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Vermutlich über das bekannte Liederbuch 古謠諺 ''Gǔyáoyàn'' ("Alte Balladen und Sprichwörter") von 杜文瀾 Dù Wénlán aus dem Jahre 1861 gelangte das ''Jī rǎng gē'' schließlich in den Westen, wo es von verschiedenen Übersetzern in europäische Sprachen übertragen wurde und in diversen Anthologien erschien. Schriftsteller wie Ezra Pound und Ernst Jünger griffen es auf - letzterer kannte es als ''Lied der chinesischen Alten beim Schlagholzspiel''.
Seine Herkunft aus Werken wie dem ''Dìwáng shìjì'' und dem ''Yuèfǔ shījí'' scheint für das verbreitete Missverständnis verantwortlich zu sein, es stamme aus dem konfuzianischen ''Shījīng'' ("Buch der Lieder"). Im MOSAIK hat man das erfreulicherweise etwas vorsichtiger formuliert - ein altes chinesisches Volkslied ist das ''Jī rǎng gē'' allemal.
Seine Herkunft aus Werken wie dem ''Dìwáng shìjì'' und dem ''Yuèfǔ shījí'' scheint für das verbreitete Missverständnis verantwortlich zu sein, es stamme aus dem konfuzianischen ''Shījīng'' ("Buch der Lieder"). Im MOSAIK hat man das erfreulicherweise etwas vorsichtiger formuliert - ein altes chinesisches Volkslied ist das ''Jī rǎng gē'' allemal.
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== Externe Verweise ==
== Externe Verweise ==
=== ''Jī rǎng gē'' ===
=== ''Jī rǎng gē'' ===
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*[http://www.egreenpublication.com/files/example/poem-ji-rang-ge-song.html ''Jī rǎng gē'' zum Mitsingen]
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*[https://web.archive.org/web/20190407171826/https://www.egreenpublication.com/files/example/poem-ji-rang-ge-song.html ''Jī rǎng gē'' zum Mitsingen] (via ''archive.org'' - der leider unsichtbare Link zur Audiodatei befindet sich recht weit oben auf der Seite, etwa <u>mittig zwischen</u> den beiden Zeilen ''ji rang ge gu min ge'')
*[https://www.poemhunter.com/best-poems/ezra-pound/canto-49/ Ezra Pounds ''Canto 49''] mit dem ''Jī rǎng gē'' (englisch)
*[https://www.poemhunter.com/best-poems/ezra-pound/canto-49/ Ezra Pounds ''Canto 49''] mit dem ''Jī rǎng gē'' (englisch)
*[https://books.google.de/books?id=IUY68WDJZcYC&pg=PA327&lpg=PA327&dq=ernst+j%C3%BCnger+schlagholzspiel&source=bl&ots=jbhzk_f4Yw&sig=ecPDWhvoHLyDNI41JsBF5Dg9bDg&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiM0L2Sz5nSAhVImBoKHSzUCEAQ6AEILzAD#v=onepage&q=ernst%20j%C3%BCnger%20schlagholzspiel&f=false Ernst Jüngers ''Nachträge zu Autor und Autorschaft''] mit dem ''Lied der chinesischen Alten beim Schlagholzspiel''
*[https://books.google.de/books?id=IUY68WDJZcYC&pg=PA327&lpg=PA327&dq=ernst+j%C3%BCnger+schlagholzspiel&source=bl&ots=jbhzk_f4Yw&sig=ecPDWhvoHLyDNI41JsBF5Dg9bDg&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiM0L2Sz5nSAhVImBoKHSzUCEAQ6AEILzAD#v=onepage&q=ernst%20j%C3%BCnger%20schlagholzspiel&f=false Ernst Jüngers ''Nachträge zu Autor und Autorschaft''] mit dem ''Lied der chinesischen Alten beim Schlagholzspiel''
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=== Zhuāngzǐ: ''Nánhuá zhēnjīng'' (3. Jhd.) ===
=== Zhuāngzǐ: ''Nánhuá zhēnjīng'' (3. Jhd.) ===
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Zhuangzi Zhuāngzǐ]
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Zhuangzi Zhuāngzǐ]
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*[http://ctext.org/zhuangzi/ens ''Das wahre Buch vom südlichen Blütenland''] chinesisch/englisch
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*[http://ctext.org/zhuangzi/ens ''Das wahre Buch vom südlichen Blütenland''] chinesisch/englisch, insbesondere das [http://ctext.org/zhuangzi/kings-who-have-wished-to-resign/ens Kapitel über rücktrittswillige Kaiser]
*[https://en.wikipedia.org/wiki/Guo_Xiang Guō Xiàng] in der englischen Wikipedia
*[https://en.wikipedia.org/wiki/Guo_Xiang Guō Xiàng] in der englischen Wikipedia
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Shun_(Kaiser) Kaiser Shùn]
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Shun_(Kaiser) Kaiser Shùn]
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Tianxia Tiānxià]
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Tianxia Tiānxià]
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*[https://en.wikipedia.org/wiki/Shanjuan_Cave die Shàn-Juǎn-Höhle] in der englischen Wikipedia
=== Huáng​fǔ Mì: ''Dìwáng shìjì'' und ''Gāoshì zhuàn'' (3. Jhd.) ===
=== Huáng​fǔ Mì: ''Dìwáng shìjì'' und ''Gāoshì zhuàn'' (3. Jhd.) ===
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Huangfu_Mi Huáng​fǔ Mì]
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Huangfu_Mi Huáng​fǔ Mì]
-
*[http://d-nb.info/990620093/34 Monique Nagel-Angermann: ''Das Diwang shiji des Huangfu Mi (215-282)'', 1999, inkl. Fragmentsammlung] als ''pdf''
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*[http://d-nb.info/990620093/34 Monique Nagel-Angermann: ''Das Diwang shiji des Huangfu Mi (215-282)'', 1999, inkl. Fragmentsammlung] als ''pdf'' (Stellen zum ''Jī rǎng gē'' auf S. 264 und 268)
*[http://www.chinaknowledge.de/Literature/Historiography/diwangshiji.html ''Dìwáng shìjì''] auf ''chinaknowledge.com''
*[http://www.chinaknowledge.de/Literature/Historiography/diwangshiji.html ''Dìwáng shìjì''] auf ''chinaknowledge.com''
*[http://www.chinaknowledge.de/Literature/Historiography/gaoshizhuan.html ''Gāoshì zhuàn''] auf ''chinaknowledge.com''
*[http://www.chinaknowledge.de/Literature/Historiography/gaoshizhuan.html ''Gāoshì zhuàn''] auf ''chinaknowledge.com''
 +
*[http://www.gutenberg.org/files/23948/23948-0.txt Text des ''Gāoshì zhuàn''] chinesisch (einzeiliger Eintrag zum ''Jī rǎng gē'' im 7. Abschnitt)
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Yao_(Kaiser) Kaiser Yáo]
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Yao_(Kaiser) Kaiser Yáo]
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*[https://en.wikipedia.org/wiki/Guo_Maoqian Guō Màoqiàn] in der englischen Wikipedia
*[https://en.wikipedia.org/wiki/Guo_Maoqian Guō Màoqiàn] in der englischen Wikipedia
*[http://www.chinaknowledge.de/Literature/Poetry/yuefushiji.html ''Yuèfǔ shījí''] auf ''chinaknowledge.com''
*[http://www.chinaknowledge.de/Literature/Poetry/yuefushiji.html ''Yuèfǔ shījí''] auf ''chinaknowledge.com''
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*[http://www.silkqin.com/05poet/yfsj.htm Auszüge aus dem ''Yuèfǔ shījí''] englisch/chinesisch
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*[http://www.silkqin.com/05poet/yfsj.htm Auszüge aus dem ''Yuèfǔ shījí''] englisch/chinesisch (Eintrag zum ''Jī rǎng gē'' unter Folio 83, recht weit unten)
 +
*[http://ctext.org/wiki.pl?if=en&res=930167 Text des ''Yuèfǔ shījí''] chinesisch, insbesondere [http://ctext.org/wiki.pl?if=en&chapter=767543 Folio 83] mit der Passage zum ''Jī rǎng gē'' in Abschnitt 5
*[https://en.wikipedia.org/wiki/Yuefu Musikamts-Lieder] in der englischen Wikipedia
*[https://en.wikipedia.org/wiki/Yuefu Musikamts-Lieder] in der englischen Wikipedia

Aktuelle Version vom 16:49, 20. Jun. 2024

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Die Einwohner Shao Pings feiern singend ihren Retter, die Mongolen müssen machtlos zuschauen.

Das alte chinesische Volkslied wird in der Japan-China-Serie gesungen.

Die Bürger Shao Pings stimmen es zu Ehren von Li an, der von seinem Geld alle Frauen der Stadt aus der mongolischen Gefangenschaft freigekauft hat. Der subversive Text erregt das Missfallen des Statthalters Matscho, er vermutet einen Aufruhr dahinter. Doch da Li seine Soldaten zuvor mit Kumys besoffen gemacht hat, kann er nicht verhindern, dass das Lied gesungen wird.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Text des Liedes

Wenn die Sonne aufgeht,
dann erheben wir uns.
Wenn die Sonne untergeht,
dann gehen wir zur Ruhe!
Wir graben Brunnen und trinken,
Wir pflügen Felder und essen,
Was kümmert uns die Macht des Herrschers?

[Bearbeiten] Hintergründe

[Bearbeiten] Identifizierung

Im MOSAIK wird in einer Fußnote gleich erklärt, dass es sich um ein altes chinesisches Volkslied handele. Es ist in der Tat sehr beliebt und wird weltweit oft zitiert. Sein Titel lautet 擊壤歌 Jī rǎng gē, zu deutsch etwa "Schlag-die-Erde-Lied", wobei es sich bei 擊壤 Jī rǎng ("Schlag die Erde") um ein uraltes Spiel handelt, bei dem man einen im Boden steckenden Pflock mit Wurfhölzern aus der Entfernung treffen muss (vergleichbar dem Hufeisenspiel). Buchstäblich die Erde geschlagen wird dabei nicht.

Der chinesische Text des Jī rǎng gē mit Umschrift, Zeichenübertragung und möglichst genauer, aber am MOSAIK orientierter Übersetzung lautet:

日 出 而 作
日 入 而 息
鑿 井 而 飲
耕 田 而 食
帝 何 力 於 我 哉

rì chū ér zuò
rì rù ér xí
záo jǐng ér yǐn
gēng tián ér shí
dì hé lì yú wǒ zāi

Sonne - hinausgehen - und dann - aufstehen und arbeiten
Sonne - hereinkommen - und dann - ruhen
graben - Brunnen - und dann - trinken
pflügen - Feld - und dann - essen
Kaiser - welche - Macht - über - mich/uns - ?/!

Wenn die Sonne aufgeht, dann erheben wir uns und arbeiten.
Wenn die Sonne untergeht, dann gehen wir zur Ruhe.
Wir graben Brunnen und trinken dann.
Wir pflügen Felder und essen dann.
Welche Macht hat der Kaiser über uns?

Dabei ist die letzte Zeile gelegentlich auch etwas anders überliefert (帝 力 於 我 何 有 哉 = dì lì yú wǒ hé yǒu zāi = "Kaiser - Macht - über - mich/uns - welche - haben - ?/!"), inhaltlich aber identisch. Interessanterweise kann man diese Zeile auch als Ausrufesatz lesen, wobei er natürlich seine Subversivität verliert und die schützende Macht des Kaisers lobt, à la "Was hat doch der Kaiser für eine Macht über uns!"

[Bearbeiten] Direkte Quelle

Das Lied entnahm Walter Hackel, der damalige Autor des MOSAIK, dem Buch Kultur im alten China von Walter Böttger, und zwar einem Abschnitt, in dem es passenderweise um Brunnenbau geht. Böttger zufolge stammt das Lied aus einem der ältesten Zeugnisse der chinesischen Literatur, dem Schidjing (Shījīng, Schi-King, "Buch der Lieder"), einer berühmten, der Legende nach von Konfuzius redigierten Liedersammlung, deren älteste Teile auf das 2. Jahrtausend v.u.Z. zurückgehen sollen. Das ist jedoch ein verbreiteter Irrtum - das Jī rǎng gē ist nicht im Shījīng enthalten, sondern stammt aus einem anderen Liederbuch.

[Bearbeiten] Ursprünge

[Bearbeiten] Das Wahre Buch vom südlichen Blütenland

Erste Spuren des Jī rǎng gē findet man im 南華眞經 Nánhuá zhēnjīng, dem Wahren Buch vom südlichen Blütenland des 莊子 Zhuāngzǐ (Dschuang Dsi) und seiner Nachfolger. Dieses Werk fand seine heutige Textgestalt im 3. Jahrhundert u.Z. durch den Herausgeber 郭象 Guō Xiàng (253-312), soll aber auf deutlich frühere Texte zurückgehen. Im 28. Kapitel 讓王 Ràng wáng ("Rücktritt von Königen") wird geschildert, wie der legendäre Kaiser 舜 Shùn der chinesischen Frühzeit (angebliche Regierungszeit 2233-2184 v.u.Z.) dem Einsiedler 善卷 Shàn Juǎn die Herrschaft über das Reich anbot. Dieser lehnte jedoch mit folgender Begründung ab:

Chinesischer Text Übersetzung

余 立 於 宇 宙 之 中。
冬 日 衣 皮 毛,
夏 日 衣 葛 絺,
春 耕 種,形 足 以 勞 動,
秋 收 斂,身 足 以 休 息。
日 出 而 作,日 入 而 息,
逍 遙 於 天 地 之 間 而 心 意 自 得。
吾 何 以 天 下 為 哉?
悲 夫!子 之 不 知 余 也!

Ich bin eine Einheit inmitten von Raum und Zeit.
Im Winter trage ich Felle und Pelze,
im Sommer Graskleider und Leinen,
im Frühling pflüge und säe ich, meine Kraft gleicht der Ackererde;
im Herbst ernte ich, ich höre auf zu arbeiten und esse.
Wenn die Sonne aufgeht, dann erhebe ich mich und arbeite; wenn die Sonne untergeht, dann gehe ich zur Ruhe,
und so genieße ich mein Leben zwischen Himmel und Erde, und mein Geist ist zufrieden.
Was habe ich denn mit dem Reich zu tun?
Ach weh! Daß Ihr, Herr, mich nicht besser kennt!

Darauf verschwand der Einsiedler in den Bergen und ward nie mehr gesehen (was aber die heutige Tourismusindustrie nicht daran hindert, in der Nähe der Stadt Yíxīng Shì in der Provinz Jiāngsū eine 善卷洞 Shàn-Juǎn-Höhle zu zeigen). Einige Passagen - vor allem die Zeilen 6 und 8 - erinnern hierbei schon an das Jī rǎng gē. Die Bezeichnung für die weltliche Macht bzw. die Herrschaft über das Reich in Zeile 8 wird mit dem Konzept 天下 Tiānxià (wörtlich: "unterm Himmel") ausgedrückt.

Die Kapitel 28ff des Nánhuá zhēnjīng werden üblicherweise nicht zum ursprünglichen Textkorpus gerechnet, sondern gelten als spätere Zusätze - weshalb sie in der deutschen Übersetzung aus der Hand von Richard Wilhelm auch gar nicht erst enthalten sind. D.h. auch die uns interessierende Passage geht wohl nicht auf Zhuāngzǐ selbst zurück, ist aber sicher vor dem 3. Jhd. u.Z. entstanden, als Guō Xiàng das Nánhuá zhēnjīng in der uns bekannten Form herausgab.

[Bearbeiten] Die Genealogischen Aufzeichnungen zu Kaisern und Königen

Der gelehrte Arzt 皇甫謐 Huáng​fǔ Mì (215-282 u.Z.) führt das Lied in zweien seiner Werke auf: im 帝王世紀 Dìwáng shìjì, einer Sammlung von genealogischen Aufzeichnungen zu Kaisern und Königen, und im 高士傳 Gāoshì zhuàn ("Biographien hochstehender Edelmänner"). Zunächst zu ersterem. Das Dìwáng shìjì ist nicht erhalten, sondern nur über Auszüge und Zitate bei späteren Autoren teilweise rekonstruiert. Für unsere Zwecke interessant ist hierbei eine Stelle, in der die idyllische Zeit unter dem Urkaiser 堯 Yáo (legendäre Regierungszeit 2353–2234 v.u.Z.) geschildert wird - dem direkten Vorgänger des oben erwähnten Kaisers Shùn. Diese lautet den diversen Gewährsmännern zufolge so:

Yìwén lèijù (7. Jhd.) / in eckigen Klammern: Tàipíng yùlǎn (10. Jhd.)
Chinesischer Text Übersetzung

有 五 十 [八 十] 老 人 擊 壤 於 道.
觀 者 歎 曰:
"大 哉 帝 之 德 也."
老 人 曰:
"吾 日 出 而 作,
日 入 而 息.
鑿 井 而 飲,
耕 田 而 食.
帝 何 力 於 我 哉?!"

Es gab 50 [oder 80] Alte, die am Weg das Jī-rǎng-Spiel spielten.
Jemand, der es beobachtete, sprach seufzend:
"Oh, groß ist die Tugend des Kaisers!"
Die Alten sprachen:
"Wenn die Sonne aufgeht, dann erheben wir uns und arbeiten,
wenn die Sonne untergeht, dann gehen wir zur Ruhe.
Wir graben Brunnen und trinken,
wir pflügen Felder und essen.
Welche Macht hat der Kaiser über uns?!"

Sehr ähnlich, wenn auch etwas kürzer, wird die entsprechende Stelle des Dìwáng shìjì in der großen Liedersammlung 樂府詩集 Yuèfǔ shījí ("Sammlung von Musikamts-Liedern") von 郭茂倩 Guō Màoqiàn aus dem 12. Jahrhundert zitiert. Hier sind es 80 oder 90 alte Männer, die das Lied als Begleitung zum Jī-rǎng-Spiel singen. Im Yuèfǔ shījí wird erstmalig der Titel Jī rǎng gē für das Lied genannt.

[Bearbeiten] Die Biographien hochstehender Edelmänner

Nun zum anderen Werk von Huáng​fǔ Mì, in dem er unser Lied verarbeitet, dem Gāoshì zhuàn. Hier schreibt er (Kapitel 1, Biographie 6):

Rǎngfù lebte zur Zeit des Yáo. [...] Rǎngfù war schon über 80 Jahre und spielte das Jī-rǎng-Spiel auf dem Weg. Jemand, der es beobachtete, sprach seufzend [etc.]

Statt 50 oder 80 alten Männern ist es hier also ein einzelner, 80 Jahre alter Mann, der auch noch nach dem Jī-rǎng-Spiel benannt ist (壤父 Rǎngfù bedeutet "Vater Rǎng"). Angesichts der Darstellung bei Zhuāngzǐ (s.o.), der ebenfalls einen einzelnen alten Weisen beschreibt, der eine frühe Form des Jī rǎng gē von sich gibt, ist es sogar wahrscheinlich, dass diese Fassung im Gāoshì zhuàn ursprünglicher als jene im Dìwáng shìjì ist, auch wenn letztere später häufiger zitiert wird. Die Traditionskette wäre dann:

  1. Zhuāngzǐ im Nánhuá zhēnjīng: Ein alter Weiser (Shàn Juǎn = "tugendhaftes Buch") rezitiert eine Vorform des Jī rǎng gē zur Zeit von Urkaiser Shùn.
  2. Huáng​fǔ Mì im Gāoshì zhuàn: Ein über 80 Jahre alter Mann (Rǎngfù = "Vater Rǎng/Erde") singt das Jī rǎng gē zur Zeit von Urkaiser Yáo, dem Vorgänger des Shùn.
  3. Huáng​fǔ Mì im Dìwáng shìjì: 50, 80 oder 90 alte Männer singen das Jī rǎng gē zur Zeit von Yáo.

[Bearbeiten] Die Musikamts-Lieder

Wer auch immer wann und in welcher Anzahl das Jī rǎng gē gesungen hat - indem es in der oben erwähnten Liedersammlung Yuèfǔ shījí erschienen ist, fand es von hier aus große Bekanntheit und Verbreitung. Bei diesem Liederbuch handelt es sich um eine Zusammenstellung so genannter "Musikamts-Lieder". Dieses populäre Genre geht auf in der Han-Periode (206 v.u.Z. bis 220 u.Z.) vom kaiserlichen Musikamt gesammelte Volkslieder zurück, wobei die im Yuèfǔ shījí zusammengestellten Lieder zum größeren Teil erst später entstanden sind. Auch das Jī rǎng gē dürfte nicht zu den ursprünglichen Musikamts-Liedern zählen, scheint es doch wie oben dargestellt über andere Wege Eingang in die Literatur gefunden zu haben. Sein Stil - die prägnante Kürze der Formulierung, die volkstümliche Aussage, der Rhythmus u.a. - macht es aber diesen Liedern vergleichbar, weshalb Guō Màoqiàn es ja auch in sein Yuèfǔ shījí aufnahm.

Vermutlich über das bekannte Liederbuch 古謠諺 Gǔyáoyàn ("Alte Balladen und Sprichwörter") von 杜文瀾 Dù Wénlán aus dem Jahre 1861 gelangte das Jī rǎng gē schließlich in den Westen, wo es von verschiedenen Übersetzern in europäische Sprachen übertragen wurde und in diversen Anthologien erschien. Schriftsteller wie Ezra Pound und Ernst Jünger griffen es auf - letzterer kannte es als Lied der chinesischen Alten beim Schlagholzspiel.

Seine Herkunft aus Werken wie dem Dìwáng shìjì und dem Yuèfǔ shījí scheint für das verbreitete Missverständnis verantwortlich zu sein, es stamme aus dem konfuzianischen Shījīng ("Buch der Lieder"). Im MOSAIK hat man das erfreulicherweise etwas vorsichtiger formuliert - ein altes chinesisches Volkslied ist das Jī rǎng gē allemal.

[Bearbeiten] Externe Verweise

[Bearbeiten] Jī rǎng gē

[Bearbeiten] Shījīng

[Bearbeiten] Zhuāngzǐ: Nánhuá zhēnjīng (3. Jhd.)

[Bearbeiten] Huáng​fǔ Mì: Dìwáng shìjì und Gāoshì zhuàn (3. Jhd.)

[Bearbeiten] Guō Màoqiàn: Yuèfǔ shījí (12. Jhd.)

[Bearbeiten] Dù Wénlán: Gǔyáoyàn (19. Jhd.)

[Bearbeiten] Das Lied wird im folgenden Mosaikheft gesungen

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