Schachpartie von Krishna Ghaunar

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Der Kschatriya und Krishna Ghaunar beim "Spiel der Könige"

Die Schachpartie zwischen Krishna Ghaunar und einem Obersten der Kriegerkaste soll ersterem die Türe zur höheren Kaste der Kschatriya öffnen. Dieser Kastenaufstieg ist für ihn so wichtig, weil er nur so seinen Plan umsetzen kann, selbst an die Macht zu kommen und zu herrschen.
Ghaunar musste zuvor erkennen, dass es ihm trotz seines Reichtums und vieler Bestechungsgelder nicht möglich gewesen ist, auch noch die letzten Schranken im Kopfe des Kschatriyas einzureißen. Ghaunar hält sich für einen guten Schachspieler, und so soll beim „Spiel der Könige“ seine Eignung zum Aufstieg in die höhere Kaste endgültig bewiesen werden. Letztendlich ist es jedoch der Kschatriya, der Ghaunar besiegt. Er lockt Ghaunar in eine raffiniert ausgeklügelte Falle und setzt ihn schachmatt. Außer sich vor Zorn wirft Krishna Ghaunar das Schachbrett um und verlangt eine Revanche. Der Kschatriya gibt jedoch vor, keine Zeit zu haben, und lässt den Verlierer allein.

Bemerkenswert an dieser Szene ist, dass die letzten Züge der Schachpartie derart genau zeichnerisch dargestellt wurden, dass man die Niederlage Ghaunars Zug für Zug nachverfolgen kann. Hierfür wurde eine historische Partie zweier Großmeister, Aaron Nimzowitsch gegen Simon Alapin, als Vorlage verwendet. Krishna Ghaunars Niederlage soll hier Schritt für Schritt erklärt werden.

Inhaltsverzeichnis

Spielverlauf

Entstehung der Stellung im MOSAIK

Um die Falle, in die Krishna Ghaunar tappte, von Anfang an zu zeigen, steigen wir mit der Spielbetrachtung einen Zug früher ein, als die Szene im Mosaik zu sehen ist. Nach jeweils 15 gespielten Zügen stellt sich folgende Situation dar:


Auf den ersten Blick fällt auf, dass der mit schwarz spielende Krishna Ghaunar einen gewaltigen Figurenvorteil besitzt. Es ging bis hierhin munter zur Sache. Nach nur je 15 Zügen fehlen schon zehn Figuren auf dem Brett. Bei gleicher Anzahl an Bauern besitzt der Kschatriya einen Springer und einen Läufer weniger. Zudem scheinen alle Figuren auf Ghaunars Seite gut gesichert zu sein. Allerdings kann der geübte Schachspieler erkennen, dass der Kschatriya seine weißen Figuren besser „entwickelt“ hat, d.h. Dame, Türme und der verbliebene Läufer kontrollieren das Zentrum des Brettes. Schwarz ist also trotz seines Figurenvorteils durchaus in Bedrängnis. Lange genug hat der Kschatriya nun diese Stellung vorbereitet. Genug Figuren hat er opfern müssen, um diese Position zu erreichen. Nun schlägt er los und lässt die Falle zuschnappen:

16. Lf3 x c6 +


Mit seinem Läufer von f3 kommend schlägt der Kschatriya Ghaunars Springer auf Feld c6 und bietet dem schwarzen König gleichzeitig schach. Der Springer war zwar durch den Bauern auf b7 abgesichert, doch schlüge Ghaunar den weißen Läufer mit diesem Bauern - oder auch mit seiner Dame -, so wäre er umgehend von der weißen Dame mit folgendem Zuge (Dame von d2 nach d8) mattgesetzt worden.

(16. ... Bb7 x c6 ?? 17. Dd2 - d8 matt)


Der schwarze Läufer auf e7 hätte die weiße Dame nicht schlagen können, da der weiße Turm auf Feld e1 ansonsten dem König schach geboten hätte.

Krishna Ghaunar konnte also den weißen Läufer auf c6 nicht schlagen. Stattdessen war er gezwungen, seinen König aus der Schachbedrohung zu entfernen. Er wählte den Zug nach f8.

16. ... Ke8 - f8



Matt in zwei Zügen, wie im MOSAIK zu sehen

Dies ist die Situation, in der der Leser ins Geschehen einsteigt. Genau jetzt schnappt die Falle des Kschatriyas zu. Krishna Ghaunar hat keine Chance mehr, der Niederlage zu entgehen. Doch selbst die Art und Weise, in der der Kschatriya seinen Gegner letztendlich vom Brett fegt, lässt den interessierten Schachspieler jubeln:

17. Dd2 - d8 !! +


Der Kschatriya opfert nun auch noch seine Dame. Normalerweise hat ein Spieler ohne seine Dame nicht die geringste Chance, zumal ja da noch der oben erwähnte Figurennachteil vorhanden ist. Doch der Kschatriya weiß genau, was er tut. Krishna Ghaunar kann nur einen einzigen Zug setzen. Die weiße Dame bietet seinem König schach. Keine schwarze Figur kann zwischen König und Dame positioniert werden und fliehen (wie noch im Zug zuvor) kann der König auch nicht mehr, also muss Ghaunar zwangsläufig die weiße Dame schlagen. Er kann dies nur mit folgendem Zug tun:

17. ... Le7 x d8


Dadurch wird der Weg für den weißen Turm auf Feld e1 bis nach Feld e8 frei. Direkt vor den schwarzen König!

18. Te1 - e8 #


Ghaunars schwarzer König kann den weißen Turm nicht schlagen, denn dieser ist durch den weißen Läufer auf Feld c6 gedeckt. Auch fliehen kann der schwarze König nicht. Seine eigenen Bauern versperren ihm den Weg. Das Spiel ist zuende. Krishna Ghaunar ist schachmatt.

Die historische Partie

Die Partie Aaron Nimzowitsch - Simon Alapin wurde 1912 in Wilna gespielt. Man kann sie in Nimzowitschs berühmtem Lehrbuch "Mein System", aber auch in anderen Schachlehrbüchern finden. Das Spiel verlief folgendermaßen:

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.exd5 Sxd5 5.Sf3 c5 6.Sxd5 Dxd5 7.Le3 cxd4 8.Sxd4 a6 9.Le2 Dxg2 10.Lf3 Dg6
11.Dd2 e5 12.0-0-0 exd4 13.Lxd4 Sc6 14.Lf6 Dxf6 15.The1+ Le7 16.Lxc6+ Kf8 17.Dd8+ Lxd8 18.Te8 matt

Mit einigen knappen Kommentaren (auf engl.) von Nimzowitsch versehen, ist die komplette Partie als Animation im Internet anzuschauen:

Bemerkenswert ist das schnelle Ende im Spiel zweier Großmeister: Bereits nach 18 Zügen war Alapin, immerhin ebenso wie Nimzowitsch einer der zehn besten Spieler der Welt, schachmatt. Ebenfalls erstaunlich ist, dass Alapin, genau wie Ghaunar, bis zum Schluss das Verderben nicht kommen sah, denn die historische Partie wurde, genau wie im Mosaik, bis zum Schachmatt zuende gespielt. Unter guten Schachspielern ist es ansonsten üblich, dass der Unterlegene noch vor dem letzten Zug aufgibt, um sich die Schmach des Mattsetzens zu ersparen.

Als Antwort auf den 16. Zug von Nimzowitsch (Lxc6) wäre auch noch folgender Zug von Alapin möglich gewesen: 16. ...Ld7. Allerdings führt auch diese Variante (bezeichnenderweise ebenfalls mit einem Damenopfer) zu baldigem Matt: 17.Dxd7+ Kf8 18.Dd8+ Txd8 19.Txd8+ Lxd8 20.Te8 matt.

Noch heute gilt diese Partie als mustergültiges Lehrbeispiel dafür, dass eine günstige Figurenentwicklung, d.h. die strategische Positionierung der Figuren auf dem Schachbrett, einer reinen Materialüberlegenheit vorzuziehen ist.

Bei einer Revanche zwei Jahre später in St. Petersburg hielt Alapin immerhin 39 Züge durch. Am Ende verlor er aber auch dieses Spiel.

Weiterführende Lektüre

Die Schachpartie wird in folgendem Mosaikheft gespielt

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