Altes chinesisches Volkslied

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"Oh, groß ist die Tugend des Kaisers!"
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Version vom 00:11, 18. Feb. 2017

Die Einwohner Shao Pings feiern singend ihren Retter, die Mongolen müssen machtlos zuschauen.

Das altes chinesische Volkslied wird in der Japan-China-Serie gesungen.

Die Bürger Shao Pings stimmen es zu Ehren von Li an, der von seinem Geld alle Frauen der Stadt aus der mongolischen Gefangenschaft freigekauft hat. Der subversive Text erregt das Missfallen des Statthalters Matscho, er vermutet einen Aufruhr dahinter. Doch da Li seine Soldaten zuvor mit Kumys besoffen gemacht hat, kann er nicht verhindern, dass das Lied gesungen wird.

Inhaltsverzeichnis

Text des Liedes

Wenn die Sonne aufgeht,
dann erheben wir uns.
Wenn die Sonne untergeht,
dann gehen wir zur Ruhe!
Wir graben Brunnen und trinken,
Wir pflügen Felder und essen,
Was kümmert uns die Macht des Herrschers?

Hintergründe

Direkte Quelle

Das Lied entnahm Walter Hackel, der damalige Autor des MOSAIK, dem Buch Kultur im alten China von Walter Böttger. Diesem Buch zufolge soll das Lied aus einem der ältesten Zeugnisse der chinesischen Literatur stammen, dem Schidjing (Shijing, Schi-King, "Buch der Lieder"). Dies ist eine - der Legende nach von Konfuzius redigierte - Liedersammlung, deren älteste Teile auf das 2. Jahrtausend v.u.Z. zurückgehen. Dies ist jedoch ein verbreiteter Irrtum - das Lied ist nicht im berühmten Shijing enthalten, sondern stammt aus einer anderen Liedersammlung.

Ursprünge

Erste Spuren des Liedes findet man im Wahren Buch vom südlichen Blütenland des Zhuangzi (Dschuang Dsi) und seiner Nachfolger. Dieses Werk fand seine heutige Textgestalt im 3. Jahrhundert u.Z. durch den Herausgeber Guo Xiang (253-312), soll aber auf deutlich frühere Texte zurückgehen. Im 28. Kapitel 讓王 Ràng wáng ("Rücktritt von Königen") wird geschildert, wie der legendäre Kaiser Shùn der chinesischen Frühzeit (angebliche Regierungszeit 2233-2184 v.u.Z.) dem Einsiedler Shàn Juǎn die Herrschaft über das Reich anbot. Dieser lehnte jedoch mit folgender Begründung ab:

Cinesischer Text Übersetzung

余 立 於 宇 宙 之 中,
冬 日 衣 皮 毛,
夏 日 衣 葛 絺;
春 耕 種,形 足 以 勞 動;
秋 收 斂,身 足 以 休 息;
日 出 而 作,日 入 而 息,
逍 遙 於 天 地 之 間 而 心 意 自 得。
吾 何 以 天 下 為 哉?
悲 夫!子 之 不 知 余 也!

Ich bin eine Einheit inmitten von Raum und Zeit.
Im Winter trage ich Felle und Pelze,
im Sommer Graskleider und Leinen;
im Frühling pflüge und säe ich, meine Kraft gleicht der Ackererde;
im Herbst ernte ich, ich höre auf zu arbeiten und esse.
Mit Sonnenaufgang stehe ich auf und arbeite; zum Sonnenuntergang raste ich,
und so genieße ich mein Leben zwischen Himmel und Erde, und mein Geist ist zufrieden.
Was habe ich denn mit dem Reich zu tun?
Ach weh! Daß Ihr, Herr, mich nicht besser kennt!

Darauf verschwand der Einsiedler in den Bergen und ward nie mehr gesehen. Einige Passagen - vor allem die Zeilen 6 und 8 - erinnern hierbei an das im MOSAIK gesungene Lied. Die Bezeichnung für die weltliche Macht bzw. die Herrschaft über das Reich in Zeile 8 wird mit dem Konzept 天下 Tiānxià (wörtlich: "unterm Himmel") ausgedrückt.

Eine andere Fassung bietet das 帝王世紀 Dìwáng shìjì von Huáng​fǔ Mì (215-282), eine Sammlung von genealogischen Aufzeichnungen zu Kaisern und Königen. Das Werk selbst ist nicht erhalten, sondern nur über Auszüge und Zitate bei späteren Autoren teilweise rekonstruiert. Für unsere Zwecke interessant ist hierbei eine Stelle, in der die idyllische Zeit unter dem Urkaiser Yáo (legendäre Regierungszeit 2353–2234 v.u.Z.) geschildert wird - dem direkten Vorgänger des oben erwähnten Kaisers Shùn. Diese lautet den diversen Gewährsmännern zufolge so:

Yìwén lèijù (7. Jhd.) / in eckigen Klammern: Tàipíng Yùlǎn (10. Jhd.)
Chinesischer Text Übersetzung

有 五 十 老 人 擊 壤 於 道.
觀 者 歎 曰:
"大 哉 帝 之 德 也."
老 人 曰:
"吾 日 出 而 作,
日 入 而 息.
鑿 井 而 飲,
耕 田 而 食.
帝 何 力 於 我 哉?"

Es gab 50 [oder 80] Alte, die am Weg das Schlagholzspiel spielten.
Jemand, der es beobachtete, sprach seufzend:
"Oh, groß ist die Tugend des Kaisers!"
Die Alten sprachen:
„Mit dem Sonnenaufgang arbeiten wir,
mit dem Sonnenuntergang rasten wir.
Wir graben Brunnen und trinken,
wir beackern das Feld das Feld und essen.
Über welche Macht verfügt der Kaiser in Bezug auf uns?“


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Das Lied heißt auf chinesisch 擊壤歌 Ji Rang Ge, was man entweder mit "Lied vom Schlagen des Erdbodens" oder "Lied vom Schlagen mit dem Holzstock" übersetzen kann - die Lesung des mittleren Zeichens/Wortes Rang scheint mehrdeutig zu sein. Das Lied gehört zu einem Genre von Liedern, die seit der Han-Zeit (207 v.u.Z. - 220 u.Z.) gesammelt wurden, und zwar zunächst unter der Ägide des so genannten Yuefu, des "Musikamts". Dieses soll unter dem Han-Kaiser Wudi um das Jahr 120 v.u.Z. gegründet oder neu gegründet worden sein und wurde im Jahre 7 v.u.Z unter Kaiser Aidi wieder geschlossen - zu dem Zeitpunkt sollen etwa 830 Musiker in dem Amt gedient haben.

Die Musikamt-Lieder wurden offenbar aber weitergepflegt und immer wieder in Sammlungen zusammengefasst. Die umfangreichste ist die von Guo Maoqian aus dem späten 11./frühen 12. Jahrhundert. Sie trägt den Titel 樂府詩集 Yuefu Shiji, "Musikamts-Poesie". Darin ist nun auch das Ji Rang Ge enthalten, und zwar auf Folio 83 bzw. Seite 1165. Der Text lautet dort:

Chinesische Zeichen Umschrift nach Wade-Giles Wortwörtliche Übersetzung

日 出 而 作
日 入 而 息
鑿 井 而 飲
耕 田 而 食
帝 何 力 於 我 哉

ri4 chu1 er2 zuo4
ri4 ru4 er2 xi2
zao2 jing3 er2 yin3
geng1 tian2 er2 shi2
di4 he2 li4 yu2 wo3 zai1

Die Sonne geht auf, wir arbeiten.
Die Sonne geht unter, wir rasten.
Graben einen Brunnen, und wir trinken.
Pflügen die Felder, und wir essen.
Solch einen Einfluss hat der Kaiser auf uns!

Dazu schreibt Guo Maoqian:

Das 帝王世紀 [Diwang Shiji] sagt: Zur Zeit von Kaiser Yao war Frieden in der Welt, niemand wurde bedrängt. So schlugen 80 bis 90 alte Männer auf den Erdboden / mit dem Holzstock und sangen [dieses Lied].

Das Diwang Shiji von Huangfu Mi aus dem 3. jahrhundert u.Z. ist eine fragmentarisch überlieferte Sammlung von Annalen und genealogischen Aufzeichungen zu Kaisern und Königen. Kaiser Yao ist eine legendäre Figur der chinesischen Urzeit, dessen (fiktive) Regierungszeit mit 2353-2234 v.u.Z. angegeben wird.

Das Ji Rang Ge wurde auch in späteren Liedersammlungen immer wieder abgedruckt, so z.B. im Xilutang Qintong (1525) und im Gu Yao Yan von Du Wenlan (1861). Irgendwann im Laufe der Überlieferung scheint die letzte Zeile des Liedes nachträglich subversiv verändert worden zu sein, so dass sie nunmehr lautet:

Chinesische Zeichen Umschrift nach Wade-Giles Wortwörtliche Übersetzung

帝 力 於 我 何 有 哉

di4 li44 yu22 wo3 he2 you3 zai1

Die Macht des Kaisers - was geht sie uns an?

Die Herkunft des Liedes aus Werken wie dem Yuefu Shiji und dem Diwang Shiji scheint für das Missverständnis verantwortlich zu sein, das Lied sei auch im Shijing enthalten, der berühmten Liedersammlung aus der konfuzianischen Zeit.

Das Lied wird im folgenden Mosaikheft gesungen

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