Bearbeiten von Schneewittchen
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Im Märchen von Schneewittchen aus den ''[[Kinder- und Hausmärchen]]'' der [[Brüder Grimm]] sind beide Motive enthalten: das vom Spiegel und das vom delegierten Mord samt Mitleid des Jägers. Das Mädchen ist freilich schon deutlich älter. Sie findet im Wald Unterschlupf bei [[Schneewittchen und die sieben Zwerge|sieben Zwergen]], wird von ihrer bösen Stiefmutter vergiftet und schließlich von einem Prinzen gerettet. | Im Märchen von Schneewittchen aus den ''[[Kinder- und Hausmärchen]]'' der [[Brüder Grimm]] sind beide Motive enthalten: das vom Spiegel und das vom delegierten Mord samt Mitleid des Jägers. Das Mädchen ist freilich schon deutlich älter. Sie findet im Wald Unterschlupf bei [[Schneewittchen und die sieben Zwerge|sieben Zwergen]], wird von ihrer bösen Stiefmutter vergiftet und schließlich von einem Prinzen gerettet. | ||
- | Das in der Johanna-Serie rezipierte Aussetzungsmotiv ist interessanterweise der stoffgeschichtlich älteste Teil des Märchens und findet sich als die ''Aussetzung des Königskindes'' vielfach in Sagen und Epen. Typologisch enthält die Sage Folgendes: Das Kind (üblicherweise ein Junge | + | Das in der Johanna-Serie rezipierte Aussetzungsmotiv ist interessanterweise der stoffgeschichtlich älteste Teil des Märchens und findet sich als die ''Aussetzung des Königskindes'' vielfach in Sagen und Epen. Typologisch enthält die Sage Folgendes: Das Kind (üblicherweise ein Junge) wird von einem bösen Verwandten an einen Handlanger übergeben, der es ermorden soll. Dieser hat jedoch Mitleid und setzt den Jungen lediglich aus. Der Kleine wird nun von einem Tier gefunden und genährt. Später wird er von Menschen eines niederen Standes - meist Hirten - aufgenommen und großgezogen. Herangewachsen, beweist er seine Fähigkeiten als Anführer, kehrt schließlich nach Hause zurück und beansprucht erfolgreich das Erbe. (Nicht alle dieser Handlungspunkte sind in allen Aussetzungssagen enthalten.) |
Es handelt sich hierbei um einen Legitimationsmythos für "Emporkömmlinge", also neue Herrscher, die ihre Macht nicht ererbt, sondern erkämpft haben. Sie erhalten durch diese Sage eine fiktive Abstammung vom alten Königshaus, so dass ihre Usurpation über diesen Umweg wieder gerechtfertigt wirkt. Das Tier, das die Mutterrolle übernimmt, ist gleichzeitig das "Totemtier" des Stammes oder Volkes, aus dem der ''homo novus'' stammt. In späteren Fassungen, als Kompilatoren diese Sagen niederschrieben, wurden oft euhemeristische Varianten geschaffen; d.h. man versuchte, das "übernatürliche" Element der Aufzucht durch ein Tier zu rationalisieren, indem man z.B. der späteren Ziehmutter einen Tiernamen verpasste. Die Aussetzungssagen werden sowohl von mythologischen als auch historischen Personen erzählt. | Es handelt sich hierbei um einen Legitimationsmythos für "Emporkömmlinge", also neue Herrscher, die ihre Macht nicht ererbt, sondern erkämpft haben. Sie erhalten durch diese Sage eine fiktive Abstammung vom alten Königshaus, so dass ihre Usurpation über diesen Umweg wieder gerechtfertigt wirkt. Das Tier, das die Mutterrolle übernimmt, ist gleichzeitig das "Totemtier" des Stammes oder Volkes, aus dem der ''homo novus'' stammt. In späteren Fassungen, als Kompilatoren diese Sagen niederschrieben, wurden oft euhemeristische Varianten geschaffen; d.h. man versuchte, das "übernatürliche" Element der Aufzucht durch ein Tier zu rationalisieren, indem man z.B. der späteren Ziehmutter einen Tiernamen verpasste. Die Aussetzungssagen werden sowohl von mythologischen als auch historischen Personen erzählt. | ||
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*Gilgamesch wird von seinem mütterlichen Großvater aus dem Fenster geworfen. Er wird von einem Adler gerettet und von einem Gärtner aufgezogen. Später löst er seinen Opa als König von Babylon ab. | *Gilgamesch wird von seinem mütterlichen Großvater aus dem Fenster geworfen. Er wird von einem Adler gerettet und von einem Gärtner aufgezogen. Später löst er seinen Opa als König von Babylon ab. | ||
*Sargon wird von seiner Mutter in einem Bastkorb auf dem Fluss ausgesetzt. Er wird von einem Wasserschöpfer geborgen und aufgezogen. Später wird er zunächst Gärtner, schließlich König von Akkad. | *Sargon wird von seiner Mutter in einem Bastkorb auf dem Fluss ausgesetzt. Er wird von einem Wasserschöpfer geborgen und aufgezogen. Später wird er zunächst Gärtner, schließlich König von Akkad. | ||
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*[[Moses]] wird von seiner Mutter ebenfalls in einem Körbchen ausgesetzt, diesmal auf dem [[Nil]]. Er wird von der Königstochter gefunden und im Palast erzogen. Später wird er zum Anführer seiner leiblichen Verwandten und ihres Volkes. | *[[Moses]] wird von seiner Mutter ebenfalls in einem Körbchen ausgesetzt, diesmal auf dem [[Nil]]. Er wird von der Königstochter gefunden und im Palast erzogen. Später wird er zum Anführer seiner leiblichen Verwandten und ihres Volkes. | ||
*Kyros wird von seinem mütterlichen Großvater, dem medischen König Astyages, einem Beamten übergeben, der das Kleinkind töten soll. Der gibt den Jungen einem Hirten weiter, damit dieser die Tat begeht. Dessen Frau Kyno/Spako (dt. "Hund") hatte jedoch eine Totgeburt und vertauscht die Kinder. Kyros wächst bei den Hirten auf, beweist sich als Jugendlicher im "Königsspiel" mit seinen Freunden und tritt schließlich die Nachfolge von Astyages an. Er wird so der erste Großkönig des Perserreiches. | *Kyros wird von seinem mütterlichen Großvater, dem medischen König Astyages, einem Beamten übergeben, der das Kleinkind töten soll. Der gibt den Jungen einem Hirten weiter, damit dieser die Tat begeht. Dessen Frau Kyno/Spako (dt. "Hund") hatte jedoch eine Totgeburt und vertauscht die Kinder. Kyros wächst bei den Hirten auf, beweist sich als Jugendlicher im "Königsspiel" mit seinen Freunden und tritt schließlich die Nachfolge von Astyages an. Er wird so der erste Großkönig des Perserreiches. | ||
*Auch [[Buddha]] soll als Kleinkind ausgesetzt worden sein. Schafe und Ziege nährten ihn, bis er gefunden und von Zieheltern aufgenommen wurde. | *Auch [[Buddha]] soll als Kleinkind ausgesetzt worden sein. Schafe und Ziege nährten ihn, bis er gefunden und von Zieheltern aufgenommen wurde. | ||
*[[Zeus]] wurde als Frischgeborener vor seinem Vater [[Kronos]] in Sicherheit gebracht und nach [[Kreta]] gebracht. Dort wurde er von der Ziege Amalthea gesäugt. | *[[Zeus]] wurde als Frischgeborener vor seinem Vater [[Kronos]] in Sicherheit gebracht und nach [[Kreta]] gebracht. Dort wurde er von der Ziege Amalthea gesäugt. | ||
- | *Ödipus wird von seinem Vater, dem geweissagt wurde, sein Sohn werde ihn töten, einem Sklaven übergeben, damit dieser das Kind umbringe. Der übergibt den Jungen jedoch einem Nachbarkönig, wo er unerkannt aufwächst und schließlich seine Bestimmung erfüllt: Er tötet seinen Vater, heiratet die Mutter und wird König von | + | *Ödipus wird von seinem Vater, dem geweissagt wurde, sein Sohn werde ihn töten, einem Sklaven übergeben, damit dieser das Kind umbringe. Der übergibt den Jungen jedoch einem Nachbarkönig, wo er unerkannt aufwächst und schließlich seine Bestimmung erfüllt: Er tötet seinen Vater, heiratet die Mutter und wird König von Theben. |
- | * | + | *Paris, der Sohn des Königs [[Priamos]], wird von seinem Vater ausgesetzt, da der Junge einer Weissagung nach Unheil über [[Troja]] bringen werde. Der damit beauftragte Hirte tut, wie ihm befohlen. Als er nach ein paar Tagen nochmal vorbeischaut, lebt der Knabe noch: Eine Bärin hatte ihn genährt. Er zieht Paris nun auf, dieser beweist sich als Jugendlicher im Kampf und kehrt schließlich nach Troja zurück. Der [[Trojanischer Krieg|Rest]] ist bekannt. |
- | + | *Die Zwillinge [[Romulus und Remus]] werden von ihrem Großonkel, dem König von Alba Longa, einem Diener übergeben, damit dieser die Kinder beseitigt. Dieser setzt sie in einem Korb am Flussufer aus. Der Korb wird fortgeschwemmt und die Knaben werden von einer Wölfin gerettet und gesäugt. Später nimmt ein Hirt die beiden auf und zieht sie groß. Als Jugendliche beweisen sie sich im Kampf. Sie helfen ihrem Großvater wieder auf den Thron, indem sie den Großonkel töten. Dann gründen sie ihre eigene Stadt: [[Rom]]. | |
- | *Die Zwillinge [[Romulus und Remus]] werden von ihrem | + | *Auch von Sigurd (= [[Held Siegfried|Siegfried]] in der nordischen Überlieferung) wird die Geschichte berichtet. Er wird ausgesetzt, von einer Hirschkuh genährt und dann von Wieland dem Schmied aufgezogen. |
- | *Auch von Sigurd (= [[Held Siegfried|Siegfried]] in der nordischen Überlieferung) wird die Geschichte berichtet. Er wird ausgesetzt, von einer Hirschkuh genährt und dann von | + | |
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